Ein gut getarnter Subtyp der Akuten Myeloischen Leukämie (AML) – der häufigsten Form akuter Leukämien bei Erwachsenen – eröffnet neue Möglichkeiten für gezielte Therapien und könnte Rückfälle künftig verhindern.
Magdeburg. In Deutschland erkranken jährlich etwa 13.700 Menschen an Blutkrebs (Leukämie). Dabei ist die Akute Myeloische Leukämie (AML) mit 23 Prozent aller Leukämiefälle die zweithäufigste Leukämieform, die unbehandelt innerhalb von Wochen bis Monaten zum Tod führt. Bei dieser aggressiven Leukämieform kommt es häufig vor, dass sich die Tumorzellen im Bindegewebe des Knochenmarks, auch Stroma genannt, verstecken, weil sie dort eine Nische vorfinden, die sie zu ihrem Vorteil nutzen.
Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Magdeburg um Prof. Dr. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg, haben nun einen bisher unbekannten Mechanismus identifiziert, wie die Leukämiezellen die Eigenschaften der Knochenmarksnische ausnutzen. In seiner Arbeit fand das Team heraus, dass durch bestimmte Botenstoffe der Stromazellen im Knochenmark eine kleine Subgruppe der Tumorzellen neue Eigenschaften erhält, die es ihnen erlaubt, einen für sie vorteilhaften, therapieresistenten Phänotyp auszubilden. Damit ist es nun möglich, diesen resistenten Subtyp gezielt anzugreifen und somit möglicherweise Rückfälle bei der AML zu verhindern. Die Ergebnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Blood advances veröffentlicht.
„Zur Behandlung der AML hat man verschiedene Therapiemöglichkeiten, wie z.B. die klassische Chemotherapie oder die Therapie mit bioaktiven Inhibitoren, die auch zunächst gut wirken können. In vielen Fällen kommt es aber zu Rückfällen, die nicht zuletzt daran liegen, dass sich vereinzelt Tumorzellen in der Knochenmarksnische verstecken und sich somit gekonnt durch die Nutzung der dort vorhandenen Mikroumgebung der Therapie entziehen oder ihr widerstehen können“, erläutert Prof. Mougiakakos. Durch die Identifizierung dieser therapieresistenten Subpopulation und deren Eigenschaften haben die Krebsforscher:innen nun einen neuen Ansatzpunkte erkannt, wie man diese Zellen angreifen und eliminieren kann. Dr. Martin Böttcher, Erstautor der Studie, erklärt: „Wir erhoffen uns nun durch die weitere Analyse von verschiedenen Krankheitsparametern und den Therapieverläufen unserer Patienten bestimmte Parameter, z.B. genetische Faktoren wie Mutationen, zu finden, die für uns bei der Prognose der Patienten hilfreich sein könnten, um damit auf lange Sicht den Therapieerfolg unserer AML-Patienten maßgeblich zu verbessern.“
Dabei betont der Molekularbiologe, vor welchen Herausforderungen Forscher:innen weltweit gemeinsam stehen: „Die größte Schwierigkeit besteht in der Komplexität und Diversität der biologischen Prozesse. Unsere Ergebnisse, aber auch die anderen Studien sind im Prinzip nur als ein Teil eines großen Puzzles zu betrachten. Erst wenn man alle Puzzleteile zusammensetzt, kann man den Patienten wirklich gut helfen und ihnen eine maßgeschneiderte Therapie anbieten. Auch wenn wir immer wieder große Fortschritte wie diese machen, ist es bis dahin noch ein langer Weg.“
Foto: V.l.: Dr. rer. nat. Martin Böttcher, Laborleiter Forschung, und Prof. Dr. med. Dimitrios Mougiakakos, Direktor der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie. (c) Fotografin: Melitta Schubert