Sie sind jung und helfen oft im Verborgenen: pflegende Kinder und Jugendliche. Neben der Schule unterstützen sie ihre kranken oder beeinträchtigten Eltern, Großeltern oder Geschwister – von Einkaufen über Haushalt und Botengänge bis hin zur medizinischen Pflege. „Exactly“ zeigt den Balanceakt zwischen Aufwachsen und Aufpassen und fragt: Wie kommen Kinder und Jugendliche mit so viel Verantwortung in jungen Jahren zurecht? Wer hilft denen, die helfen? Und vor allen Dingen: Was machen die jungen Pflegenden von damals als Erwachsene heute? Die Reportage ist ab dem 26. Februar, 17 Uhr, auf dem YouTube-Kanal „MDR Investigativ“ und in der ARD Mediathek sowie am 28. Februar um 20.45 Uhr im MDR-Fernsehen zu sehen.
Bundesweit pflegen und unterstützen rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche ihre Angehörigen – heißt: Im Schnitt finden sich in jeder Schulklasse ein bis zwei Betroffene.
In Sachsen-Anhalt gibt es nach Schätzungen etwa 5.000 sogenannte Young Carers. Die 13-jährige Schülerin Ronja aus Staßfurt ist eine von ihnen. Als ihre Oma vor wenigen Jahren an Krebs erkrankte, stand ihr Leben Kopf. „Als ich mitbekommen habe, dass Oma immer kranker wird, bin ich kaum rausgegangen.“ Ronja unterstützte, wo es nur ging. „Es ist viel Kindheit verloren gegangen“, sagt ihre Mutter Anja.
Junge Pflegende nehmen sich selbst oft gar nicht als solche wahr. Viele packen selbstverständlich mit an. Früh Verantwortung übernehmen, das hat auch der Erfurter Student Nico gelernt. Seine Mutter erkrankte noch zu Schulzeiten. Weil Vater und Bruder beruflich stark eingespannt waren, übernahm er schon als Schüler einen Großteil der Aufgaben zuhause. Zwei Tage in der Woche blieb er ganz der Schule fern, um seine Mutter mitzupflegen. Als Noch-Teenager kam er damit oft an seine Grenzen.
Die Berlinerin Rojin Zine Tekin pendelte als Kind zwischen Krankenhaus, Schule und Zuhause. Als sie sechs Jahre alt war, erkrankte erst ihr Vater, vier Jahre später auch ihre Mutter schwer. Während Gleichaltrige ihren Hobbys nachgingen, halfen Zine und ihre Schwester ihren Eltern im Alltag. Trotz der Belastung sagt Zine heute: „Nichts hätte ich deswegen weniger gemacht.“ Heute studiert sie Medizin und will später anderen helfen.
Selbst Fachkräfte haben die Gruppe junger pflegender Angehöriger oft nicht im Blick. Und das, obwohl es Young Carers immer geben wird, wie Mara Rick vom Beratungsangebot „echt unersetzlich“ betont. Die Frage müsse lauten: „Wie unterstützen wir sie?“ Jede Woche melden sich junge Menschen aus ganz Deutschland bei Rick, obwohl die Anlaufstelle vom Diakonischen Werk Berlin Stadtmitte eigentlich nur ein Berliner Angebot ist. Aus Scham oder Angst vor Einmischung von Ämtern erzählen die Betroffenen oft nichts von ihrer Situation zuhause – und bleiben unsichtbar. Dass es in Deutschland kaum direkte Angebote gibt, findet Mara Rick fatal: „Jedes Jahr, das verstreicht, ohne dass etwas getan wird, ist eine Generation verloren.“
Ein Film von Michaela Reith.
Foto: Young Carer Ronja mit Oma Hannelore (c) MDR/Maletz