Ostfriesische Inseln. Alternative Mobilitätsformen beschäftigen Politik und Gesellschaft. Das übergeordnete Ziel: weg vom Auto, hin zu einer deutlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen. Auf den meisten Ostfriesischen Inseln sind Autos ohnehin kein Thema, denn fünf von sieben sind autofrei. Auch darüber hinaus fördert die Inselfamilie alternative Mobilität und klimaschonende Aufenthalte.
„Der Tourismus bildet für unsere Inseln die wirtschaftliche Existenzgrundlage. Er ist weltweit aber auch für etwa acht Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich und gefährdet somit unseren Lebensraum und diese Urlaubsregion“, sagt Göran Sell, Geschäftsführer der Ostfriesische Inseln GmbH. „Sollen die Inseln also langfristig attraktiver Lebensraum und attraktives Reiseziel bleiben, kann es im Weltnaturerbe Wattenmeer nur einen Tourismus geben, der umweltschonend ist. Dabei spielen die klimaschonende Verkehrsanbindung sowie die Mobilität auf den Inseln selbst eine wichtige Rolle.“
An- und Abreise im Überblick
Wer auf die Inseln reisen möchte, der ist nicht auf den privaten Pkw angewiesen. Aus weiten Teilen Deutschlands bietet die Deutsche Bahn mittlerweile umsteigefreie Intercity-Verbindungen an die ostfriesische Küste bis Norddeich oder Emden an. Wer Spiekeroog oder Baltrum besuchen möchte, kann alternativ dazu auch den Ostfriesland-Express nutzen. Der Bus fährt von Bremen über Oldenburg die Häfen Neuharlingersiel und Neßmersiel an. Für die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden die Urlauberinnen und Urlauber auf Spiekeroog sogar von einigen Beherbergungsbetrieben mit einem Preisvorteil von 5 Prozent belohnt. Langfristig möchte die „Grüne Insel“ dieses Angebot auf so viele Betriebe wie möglich ausweiten.
Sollten Gäste der Insel Juist nicht mit der Bahn, sondern mit dem eigenen Pkw anreisen, haben sie die Möglichkeit, die Emissionswerte ihrer An- und Abreise über den Anbieter myclimate zu kompensieren.
Der Weg zum klimaschonenden Fährverkehr
Das Ostfriesische Wattenmeer ist als Nationalpark und UNESCO-Weltnaturerbe besonders geschützt. Deshalb berücksichtigen alle Fähren die Geschwindigkeits- und Routenvorgaben, um die heimischen Lebewesen durch Lärm- und Abgasvermeidung zu schützen. Trotzdem: Fähren stoßen eine Menge CO2 aus. Das Problem ist bekannt und die Reedereien versuchen aktiv gegenzusteuern: Die Reederei AG EMS, die seit 175 Jahren Fahrgäste nach Borkum befördert, setzt zum Beispiel auf LNG als klimafreundlichen Treibstoff: 2015 wurde die „MS Ostfriesland“ zur ersten deutschen LNG-Fähre umgebaut. Heute betreibt die Reederei drei LNG-Fähren. Für die kleineren Schiffe der Flotte werden weitere alternative Möglichkeiten, zum Beispiel der Einsatz von Wasserstoff, geprüft. Der Katamaran „MS Nordlicht“ der Reederei AG EMS setzt momentan umweltfreundlichen synthetischen Kraftstoff ein, so wie auch die fünf Schiffe der Reederei Baltrum-Linie GmbH.
Auf den Inseln: Pferd, Fahrrad, E-Mobilität
Auf Juist, Baltrum, Spiekeroog, Langeoog und Wangerooge sind Autos grundsätzlich nicht erlaubt. Stattdessen können Urlauberinnen und Urlauber die Inseln zu Fuß, zum Teil mit Pferdekutschen oder mit dem Fahrrad erkunden. Apropos Pferde: Der gesamte Personen- und Gütertransport inklusive der Müllabfuhr wird auf Juist und Baltrum von Pferdefuhrwerken gestemmt. Autos fahren hier ausschließlich Ärztinnen und Ärzte, das DRK und die Feuerwehr zu Einsatzzwecken. Auf Spiekeroog kommen bei der Inselspedition und der Müllabfuhr E-Karren zum Einsatz. Für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, stehen das Inselmobi, ein Golfcaddy mit Elektroantrieb, sowie zwei E-Scooter zur Verfügung. Für den Strand gibt es ein elektrisches Strandmobil. Auch auf Juist stehen E-Scooter sowie zwei Solar-Strandrollstühle zur Verfügung. Auf Baltrum gibt es einen Sandrollstuhl mit Solarbetrieb. Mobiltätseingeschränkte Bewohner:innen und Gäste der kleinsten Ostfriesischen Insel nutzen den Kutschen-Transfer oder den Elektro-Caddy.
Auf Borkum sind Autos zwar grundsätzlich erlaubt, doch die Insel setzt sich intensiv für den Einsatz von E-Fahrzeugen ein. 2017 beschloss der Verkehrsausschuss der Insel die Einrichtung einer Strategiegruppe Elektromobilität. Seitdem hat die Nordseeheilbad Borkum GmbH ihren Fuhrpark umgestellt, mehrere E-Ladesäulen wurden installiert und ein Carsharing-Angebot mit Elektrofahrzeugen etabliert. Der Borkumer ÖPNV wird durch zwei Elektrobusse fast vollständig elektrisch abgebildet und die städtischen Gesellschaften sowie viele Privatpersonen folgen diesen Beispielen. Auf der größten Ostfriesischen Insel sind zudem der erste E-Rettungswagen und das erste E-Polizeimotorrad in Deutschland im Einsatz. Auch die Polizei auf Juist setzt auf Elektromobilität und ist mit einem E-Quad unterwegs.
Norderney ermöglicht nachhaltige Mobilität über den Anbieter „MOOEV Mobil“, der mit mehreren E-Vans Fahrgastanfragen auf der Insel intelligent bündelt und die Gäste zu ihren Wunschzielen fährt.
Mit dem „Küstenstromer“ hat Spiekeroog ein beliebtes Carsharing-Angebot etabliert. Am Hafen Neuharlingersiel stehen für Insulaner:innen, Neuharlingersieler:innen und Gäste aktuell zwei E-Autos bereit. 2023 wird die Flotte um einen weiteren Pkw erweitert.
„Nachhaltigkeit und Tourismus müssen sich nicht ausschließen. Wir zeigen auf Spiekeroog, dass beide Themen gut unter einen Hut gehen. Grundlage hierfür ist neben dem Engagement der Tourismusbetreibenden eine positive Einstellung der Gäste zum Thema. Wir sind auf Spiekeroog sehr dankbar dafür, dass unsere Gäste neue Wege aktiv mitgestalten“, sagt Nadine Weber, Projektkoordination Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf Spiekeroog.
Auch Baltrum plant einen Carsharing-Service mit E-Autos für Insulaner:innen. Die dazugehörige Infrastruktur auf dem Festland ist bereits in Planung.
Foto: Kutschfahrt am Strand von Juist. (c) Greg Snell