Magdeburg. „Die Lehren aus dem Nationalsozialismus können nur lauten, unsere Gegenwart nach anderen, menschlicheren Maßstäben zu gestalten.“ Aber „nicht erst seit dem Terroranschlag von Halle vor vier Jahren wissen wir: Der Firnis der Zivilisation ist dünn. Humanität kann schnell in Inhumanität umschlagen. Die Shoah ist zwar Vergangenheit. Aber der Antisemitismus ist gegenwärtiger denn je. Aus unserer Gesellschaft war er nie verschwunden. Vom Vorurteil zur Gewalt ist es oft nur ein kurzer Weg. Der Antisemitismus ist, in welcher Erscheinungsform auch immer, mehr denn je zu einer Gefahr für die grundlegenden Werte unserer weltoffenen und pluralistischen Gesellschaft geworden.“
Das sagte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff heute im Landtag. Dort gab er aus Anlass des 85. Jahrestages der Novemberpogrome eine Regierungserklärung zum Thema „Verantwortung vor der Geschichte – Verantwortung für die Zukunft: Schutz und Anerkennung jüdischen Lebens“ ab.
Die antiisraelischen Demonstrationen der vergangenen Wochen verurteilte Haseloff scharf: „Israels Existenz ist bedroht, und auf deutschen Straßen wird das gefeiert. Das sind unerträgliche Bilder. Als freie und humane Gesellschaft dulden wir keine Sympathiebekundungen für Terroristen und deren Verbrechen sowie antisemitischen Parolen. Sie müssen strafrechtlich konsequent verfolgt werden. Hier kann es nicht bei Ankündigungen bleiben.“
„Wir müssen eine klare Haltung zeigen. Nie wieder ist Jetzt! Das sind wir nicht nur den Opfern, sondern auch uns selbst schuldig. Auch Schweigen und Gleichgültigkeit können Einstellungen prägen, verhängnisvolle Entwicklungen begünstigen und weitreichende Folgen haben. Aufstieg, Herrschaft und Verbrechen des Nationalsozialismus sind nicht nur auf ein Versagen der politischen Eliten zurückzuführen. Sie wurden auch durch den Zusammenbruch der Mitmenschlichkeit und den Verlust von Mitgefühl unter gewöhnlichen Deutschen möglich. Die Erinnerung an die Vergangenheit ist stets mit der Verantwortung für unsere Gegenwart und Zukunft verbunden.“
Haseloff forderte einen intensiven und breiten gesellschaftlicher Dialog über die Zukunft der Erinnerung ein. „Die Erinnerung an die Shoah muss auch in Menschen mit Migrationshintergrund etwas bewirken. Niemand kann gleichgültig bleiben angesichts dieses präzedenzlosen Verbrechens. Das ist unabweisbar und für unsere Demokratie auch eine Form der Bewährung.“
Quelle: Staatskanzlei und Ministerium für Kultur
Foto: Dr. Reiner Haseloff © Steffen Boettcher