Magdeburg. Prof. Dr. rer. nat. Markus Rothermel untersucht sensorische Informationsverarbeitungen im Gehirn, um zu verstehen, wie Filterprozesse kognitive Leistungen, soziale Interaktionen und Entscheidungsfindungen im gesunden sowie durch Krankheit veränderten Gehirn beeinflussen.
Zum 1. Mai 2023 ist der Biologe Prof. Dr. rer. nat. Markus Rothermel an die Medizinische Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg berufen worden und besetzt die W2-Professur für Neurophysiologie und Optogenetik am Institut für Physiologie Magdeburg. In seiner Forschung befasst sich Prof. Rothermel mit dem Wechselspiel verschiedener Filterprozesse und der sensorischen Informationsverarbeitung des Gehirns. Ein besseres Verständnis um die zugrundeliegenden Mechanismen wird in Zukunft auch die Entwicklung neuer Therapieansätze für die Behandlung neurodegenerativer und neuroinflammatorischer Erkrankungen ermöglichen.
Prof. Rothermel erklärt: „Mit Hilfe unserer Sinne erstellt das Gehirn ein Abbild der Außenwelt. Was wir jedoch wahrnehmen und was nicht, wird stark von unseren Erfahrungen und Erwartungen sowie unserem Aufmerksamkeits- und Erregungszustand beeinflusst. Die Information wird also vorgefiltert, bevor sie unser Bewusstsein erreicht.“ Der Biologe untersucht Hirnareale, die an diesen Filterprozessen beteiligt sind. „Bei einer Störung dieser Systeme kann es zu schweren Erkrankungen wie beispielsweise dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder Autismus kommen“, so Rothermel. Um zu verstehen wie unterschiedliche Hirngebiete die frühe sensorische Informationsverarbeitung beeinflussen, verwendet Rothermel neue mikroskopische und elektrophysiologische Methoden, um dem Gehirn bei der Arbeit zuzusehen und gleichzeitig neuronale Aktivität mit Hilfe der „Optogenetik“, also mithilfe von Licht, zu steuern.
Die Kombination dieser Techniken ermöglicht es, einzelne Nervenzellen nicht nur live und in Echtzeit während unterschiedlicher Entscheidungsprozesse zu beobachten, sondern auch gezielt deren Beitrag zur Verhaltenssteuerung zu untersuchen. „Auf lange Sicht wird ein verbesserter Einblick, wie unser Gehirn mit Hilfe dieser Areale sensorische Informationen filtert, auch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis von neurodegenerativen und neuroinflammatorischen Erkrankungen sowie Depressionen liefern“, erklärt Rothermel.
Am Standort Magdeburg sieht der gebürtige Recklinghäuser hervorragende Möglichkeiten, seine translationale Forschung in die interdisziplinären Forschungsnetzwerke im Bereich der Neurowissenschaften und auch der Molekularen Immunologie sowie Entzündungsforschung zu integrieren und damit weiterzuentwickeln. Das Potential seiner Forschung wird durch seine Beteiligung an der erfolgreichen Einwerbung eines DFG Graduiertenkollegs, eines IZKF-Verbundforschungsprojekts, einer deutsch-französischen ANR-DFG-Kooperation sowie einer DFG-Forschergruppe deutlich. Die letzten beiden Drittmittelprojekte wird Rothermel zudem mit nach Magdeburg bringen.
In der Ausbildung von Studierenden möchte Rothermel Interesse für das Fachgebiet wecken und gleichzeitig für den kritischen Umgang mit Daten sensibilisieren. „Ich stütze mich nicht nur auf Lehrwerke zur Vermittlung von Basiswissen, sondern kombiniere diese mit aktuellen wissenschaftlichen Publikationen sowie Forschungsarbeiten aus meinem eigenen Labor. Der Nachwuchs wird dabei in modernste Methoden eingearbeitet“, so Rothermel.
Zur Person:
Prof. Dr. rer. nat. Markus Rothermel studierte Biologie an der Ruhr-Universität Bochum, wo er 2009 auch promovierte. Von 2009 bis 2014 war Rothermel als Post-Doktorand an der University of Utah sowie der Boston University, USA tätig. Im Anschluss leitete er bis 2021 eine DFG-geförderte Emmy Noether Nachwuchsgruppe mit Schwerpunkt „zentrifugale Modulation der Informationsverarbeitung im olfaktorischen Bulbus der Maus“ am Lehrstuhl für Chemosensorik der RWTH Aachen. Vor seinem Wechsel an die Universität Magdeburg war Rothermel W2-Professor für Zellbiologie am Institut für Physiologie und Zellbiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.
Hintergrund:
Um in Sachsen-Anhalt eine Professur an einer Universität zu erlangen, muss gemäß §36 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (HSG LSA) ein Berufungsverfahren durchgeführt werden. Geeignete Kandidat:innen durchlaufen dabei ein umfangreiches Verfahren. Eine mit mehreren Expert:innen besetzte Berufungskommission begutachtet die Leistungen der Kandidat:innen in Forschung, Lehre und bei klinisch relevanten Professuren auch in der Krankenversorgung.
Foto: Portrait Prof. Dr. rer. nat. Markus Rothermel. (c) Fotografin: Melitta Schubert/Universitätsmedizin Magdeburg