Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels kommen Starkregen, Hochwasser und andere Wettergefahren immer häufiger auch in Sachsen-Anhalt vor. Obwohl Extremwetter-Ereignisse zu immensen Schäden führen können, ist aktuell aber nur jedes zweite Gebäude im Land ausreichend gegen Hochwasser oder Überschwemmungen durch Starkregen versichert. Bundesweit liegt die Quote im Durchschnitt ebenfalls nur bei 50 Prozent. Umweltminister Prof. Dr. Armin Willingmann hält daher die Einführung einer verpflichtenden Solidarversicherung für notwendig und fordert die Bundesregierung auf, einen Vorschlag für ein entsprechendes Modell schnellstmöglich vorzulegen.
„In den vergangenen zwanzig Jahren konnten wir in Sachsen-Anhalt wie in ganz Deutschland sehen, welche schweren Schäden durch Naturereignisse eintreten können. Dennoch müssen wir nüchtern feststellen, dass rund die Hälfte der Gebäude in Deutschland und in Sachsen-Anhalt nach wie vor nicht ausreichend gegen Elementarschäden versichert ist. Geschädigte bleiben so auf sich allein gestellt oder sind auf freiwillige staatliche Hilfsleistungen angewiesen. So kann und darf es nicht weitergehen“, betonte Willingmann am Montag.
„Abhilfe schaffen kann eine verpflichtende und zugleich bezahlbare Solidarversicherung. Ich bin froh, dass sich unter den Bundesländern inzwischen eine breite Mehrheit für ein Pflichtversicherungsmodell abzeichnet und ich erwarte, dass die Bundesregierung noch in diesem Jahr einen Entwurf für eine Solidarversicherung vorlegt. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und der zu erwartenden Häufung von Extremwetterereignissen müssen wir zügig zu Ergebnissen kommen. Deshalb wird das Thema Elementarschadenversicherung aller Voraussicht nach auch erneut Gegenstand der Beratungen der Umweltministerkonferenz im November sein.“
Eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung gegen Elementarschäden besteht in Deutschland derzeit noch nicht. Die Justizministerkonferenz hatte sich im Juni 2017 hinsichtlich der Einführung einer Pflichtversicherung zunächst zurückhaltend geäußert. Die Justizminister der Länder befürchteten, dass eine solche Pflicht Grundrechte einschränken könnte – vor allem das Grundrecht des Einzelnen, Verträge abzuschließen oder auch nicht. Seit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 zeichnet sich jedoch ein Paradigmenwechsel ab. Im Oktober 2021 forderten die Umweltminister der Länder, die Einführung einer Pflichtversicherung zu prüfen. Am 1. Juni 2022 kam die Justizministerkonferenz zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Pflichtversicherung je nach Ausgestaltung verfassungskonform gelingen kann. Die Gutachten des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen haben hierzu den Weg geebnet. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) bekannte sich in ihrer Sitzung am 2. Juni 2022 zum Ziel der Einführung einer Pflichtversicherung und bat die Bundesregierung, einen konkreten Regelungsvorschlag zu prüfen und bis Ende 2022 vorzulegen.
Aktuell ist es für Hauseigentümer insbesondere in Risikogebieten oftmals nur schwer möglich, sich gegen Elementarschäden freiwillig zu versichern. Bereits 2015 kamen verschiedene Verbraucherzentralen zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsprämien zum Teil die finanziellen Möglichkeiten der Eigentümer übersteigen. „Dieses Dilemma werden wir nur dann nachhaltig überwinden, wenn wir die Lasten gerecht auf alle Schultern verteilen und dadurch flächendeckend bezahlbare Versicherungsprämien erreichen“, erklärt Willingmann. „Mit Wasserschäden müssen heute nicht mehr nur jene rechnen, die an Gewässern wohnen. Starkregen und damit verbundene Überschwemmungen können praktisch überall in Deutschland auftreten. Wenn wir vermeiden wollen, dass Bund und Länder immer wieder – und im Zweifelsfall immer häufiger – für Elementarschäden aufkommen, dann müssen wir eine möglichst verbindliche Solidarversicherung mit bezahlbaren Prämien für alle Eigentümer entwickeln.“
Umweltministerium informiert zum Thema Elementarschadenversicherung
Um das Thema Elementarschäden weiter in den Mittelpunkt zu rücken, hat Willingmann am Montag in Gatersleben im Salzlandkreis den Startschuss für eine neue Veranstaltungsreihe gegeben. Gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wird das Umweltministerium in den kommenden Monaten die Öffentlichkeit verstärkt über Risiken extremer Wetterereignisse und Möglichkeiten der Eigenvorsorge informieren. „Seit dem Elbe-Hochwasser im Jahr 2002 hat das Land mehr als 1,4 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert und wird auch in den kommenden Jahren konsequent entsprechende Maßnahmen planen und umsetzen“, so Willingmann. „Klar ist aber auch: Ein hundertprozentiger Hochwasserschutz wird unter keinen Umständen zu erreichen sein. Deshalb ist es so wichtig, Eigenvorsoge zu treffen; sich über Risiken und Gefahren zu informieren, sein Eigentum angemessen für den Fall der Fälle zu versichern.“
Die bislang höchsten Schäden richtete die Flutkatstrophe im Südwesten Deutschlands im vergangenen Jahr an. Nach Berechnungen der Bundesregierung belief sich die Summe auf 29,2 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Beim Elbe-Hochwasser 2013 entstanden allein in Sachsen-Anhalt Schäden von rund zwei Milliarden Euro. Europaweit richteten Starkregenfälle, die auch zum Hochwasser in der Elbe führten, Schäden von etwa zwölf Milliarden Euro an.
Einer Erhebung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) aus dem Mai 2022 zufolge sind lediglich 50 Prozent der Gebäude in Deutschland gegen Naturgefahren wie Hochwasser und Überschwemmung versichert. In Sachsen-Anhalt liegt die Quote bei 48 Prozent und damit zwei Prozentpunkte höher als bei der GdV-Erhebung im April 2021. In Rheinland-Pfalz stieg sie nach dem Katastrophen-Sommer 2021 von 37 Prozent auf nunmehr 42 Prozent. Bundesländer wie Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern haben anhaltend niedrige Quoten um die 30 Prozent. Spitzenreiter ist Baden-Württemberg mit einer Quote von 94 Prozent. Das Land weist aufgrund einer ehemaligen Versicherungspflicht noch eine nahezu flächendeckende Absicherung gegen Elementarschäden auf.
Foto (c) BD-LPSA