Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Barbara Schnierle, Leiterin des Fachgebiets „AIDS, neue und neuartige Erreger“ der Abteilung „Virologie“ des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), haben zusammen mit Forschenden des Uniklinikums der Goethe-Universität Frankfurt/Main eine Langzeitstudie zur humoralen, also Antikörper-vermittelten Immunität bei vormals COVID-19-Erkrankten durchgeführt. Hierzu wurde die Aktivität der Antikörper als Konzentration neutralisierender Antikörper im Serum (Titer) gegen verschiedene Coronaviren mit Hilfe von sogenannten Neutralisationstests bestimmt.
Langzeitstudie über mehr als 400 Tage
In der Studie wurden Seren von 80 COVID-19-Patientinnen und -Patienten des Klinikums der Goethe-Universität Frankfurt/Main untersucht, die im Zeitraum vom 5. März bis 14. Juli 2020 erkrankten. 86 Prozent von ihnen waren leicht, 14 Prozent schwer erkrankt. 51 Frauen und 29 Männer im Alter von 18 bis 75 Jahren nahmen an der Studie teil.
Den Teilnehmenden der Langzeitstudie wurde bis zu 537 Tage nach einem positiven PCR-Test Blut entnommen. Bestimmt wurden nicht nur Antikörper gegen den ursprünglichen Wuhan Stamm (Wildtyp) des Coronavirus SARS-CoV-2, sondern auch Antikörper gegen das gewöhnliche Erkältungsvirus Coronavirus NL-63 getestet.
Abnahme der Immunität
Im Laufe der Zeit nach COVID-19-Erkrankung nahm die Konzentration (Titer) der gegen SARS-CoV-2 gerichteten neutralisierenden Antikörper ab. Der Wert halbierte sich dabei im Mittel nach 140 Tagen. Dies bestätigt das Ergebnis vergleichbarer Studien Anderer.
Keine Kreuzreaktion zwischen SARS-CoV-2 und einem Corona-Erkältungsvirus
Im Blut bzw. Serum der meisten Menschen können Antikörper gegen humane Coronaviren, die gewöhnliche Erkältungen hervorrufen, nachgewiesen werden. Es wurde befürchtet, dass bereits existierende Antikörper gegen das Erkältungs-Coronavirus NL63 die Bildung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 verhindern könnten, da nur Antikörper gegen homologe (aminosäuresequenzgleiche) Epitope der Coronaviren induziert werden könnten.
In der vorliegenden Studie wurde die Aktivität und Konzentration (Titer) der Antikörper gegen das weit verbreitete Coronavirus NL-63 untersucht. Auch hier reduzierte sich der Titer neutralisierender Anti-NL-63-Antikörper mit einer Halbwertszeit im Mittel von 218 Tagen, also etwas langsamer als die neutralisierenden Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2-Wildtyp nach COVID-19-Erkrankung.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Immunantwort im Sinne des Anstiegs neutralisierender Antikörper gegen SARS-Coronaviren keinen Einfluss auf die Neutralisation von Erkältungs-Coronaviren hat und somit diese Bedenken ausgeräumt sind.
COVID-19-Impfung führt zu erneutem Anstieg der Antikörperantwort gegen SARS-Co-Viren
Ein Teil der Studienteilnehmenden (13 Personen) wurde einige Zeit nach COVID-19-Erkrankung geimpft. Bei ihnen wurde nach 35 Tagen (± 10 Tage) untersucht, wie sich die Antikörperantwort gegen die Wildtyp-Variante und die Virusvarianten Delta und Omikron des SARS-CoV-2 sowie gegen SARS-CoV-1 und NL-63 vor und nach der Impfung entwickelte.
Impfung führt zu erneutem Anstieg der Antikörperantwort gegen SARS-Co-Viren, nicht jedoch gegen NL-63
Nach der COVID-19-Impfung stiegen die Antikörpertiter gegenüber der Wildtyp-, der Delta- und der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 sowie gegenüber SARS-CoV-1 signifikant an. Die Impfung erzeugte jedoch keine Antikörpertiter gegen das Coronavirus NL-63. Auch hier gibt es also keinen Hinweis auf eine Kreuzreaktion (gegenseitige Beeinflussung) der Immunantwort zwischen SARS-CoV-2 und NL-63. Das Spike-Protein von NL-63 unterscheidet sich deutlich von dem des SARS-CoV-2 (31 Prozent identische Aminosäuresequenz). Dagegen stimmen die Spikeproteine von SARS-CoV-2-Wildtyp mit SARS-CoV-1 (76 Prozent) bzw. den Varianten Delta (99 Prozent) und Omikron (97 Prozent) stärker überein.
Impfung induziert teilweise Immunantwort gegen Omikron
Die untersuchten Patientinnen und Patienten erkrankten an COVID-19 in einem Zeitraum, in dem die Omikron-Variante noch nicht verbreitet war. In ihrem Blut bzw. Serum fanden sich keine Omikron-neutralisierenden Antikörper nach der Infektion.
Die Langzeitstudie zeigt, dass die Antikörperantwort nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 zwar mit der Zeit langsam abklingt, jedoch durch eine nachfolgende COVID-19-Impfung wieder aktiviert und erweitert werden kann. Die nach Impfung erzeugten Antikörper waren in der Lage, im Labortest (in vitro) auch Varianten des SARS-CoV-2, teilweise auch die Virusvariante Omikron, sowie SARS-CoV-1 zu neutralisieren.
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