Mehr PflegebedĂŒrftige, mehr Leistungen und inflationsbedingte Kostensteigerungen: Mit groĂer Sorge diskutierte der Verwaltungsrat der AOK Sachsen-Anhalt auf seiner letzten Sitzung im Dezember die finanzielle Situation der sozialen Pflegeversicherung und mögliche Lösungen. Der Verwaltungsrat fordert von der neuen Bundesregierung dringend eine grundlegende Pflegereform mit stabiler Finanzierung. Die Kostenexplosion mĂŒsse gestoppt und die Probleme strukturell gelöst werden. Beitragszahler, PflegebedĂŒrftige und ihre Angehörigen dĂŒrfen nicht lĂ€nger mit den stetig steigenden Kosten allein gelassen werden.
Magdeburg, 11. Januar 2025 – Im neuen Jahr hebt die Bundesregierung die BeitrĂ€ge zur sozialen Pflegeversicherung um 0,2 Punkte auf 3,6 Prozent an. Kinderlose mĂŒssen zusĂ€tzlich einen Zuschlag von 0,6 Prozentpunkten zahlen. Der Verwaltungsrat der AOK Sachsen-Anhalt bezweifelt, dass das Geld ausreichen wird.
Entlastungen der PflegebedĂŒrftigen wĂ€ren möglich
âDie Situation lieĂe sich stabilisieren, indem die Bundesregierung beispielsweise versicherungsfremde Leistungen aus Steuermitteln finanzieren und nicht allein den gesetzlich Versicherten ĂŒberlassen wĂŒrde. AuĂerdem sollten kostendeckende BeitrĂ€ge zur sozialen Pflegeversicherung fĂŒr BĂŒrgergeld-Empfangende eingefĂŒhrt werden,â schlĂ€gt Susanne Wiedemeyer, Vorsitzende des AOK-Verwaltungsrates und Vertreterin der Arbeitnehmerseite vor.
Ungebremster Kostenanstieg in der Pflege, ĂŒber 4.200 Euro fĂŒr einen Heimplatz
Allein die Pflegekasse bei der AOK Sachsen-Anhalt hat mit dem GeschĂ€ftsjahr 2023 Ausgaben in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geleistet. Im Jahr 2024 werden es voraussichtlich 1,3 Milliarden Euro. Darin enthalten sind rund 707 Millionen Euro fĂŒr ambulante Leistungen und 568 Millionen Euro fĂŒr stationĂ€re Leistungen. Im Vergleich zu 2017 sind die Ausgaben 2024 damit um 60 Prozent gestiegen. Allein fĂŒr die stationĂ€re Pflege in vollstationĂ€ren Pflegeeinrichtungen kann ein Anstieg der Ausgaben im selben Zeitraum um 26 Prozent verzeichnet werden.
âErst im vergangenen Jahr wurde der Pflegebeitrag erhöht. Und noch immer reicht das Geld nicht aus. Es muss deshalb aufhören, dass eine Regierung das Problem auf die nĂ€chste schiebt,â sagt Uwe Schomburg, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrats und Vertreter der Arbeitgeberseite. âWiederholt haben wir eine stabile Finanzierung der Pflegeversicherung angemahnt. Die neue Bundesregierung muss hier schnellstens handelnâ, so Schomburg weiter.
Das zeigt auch eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), wonach die Eigenanteile fĂŒr Pflegeheimbewohner auch 2024 weiter gestiegen sind. Im Durchschnitt zahlte 2024 ein Pflegeheimbewohner in Sachsen-Anhalt 1.956 Euro monatlich selbst zu â und damit wieder deutlich mehr als noch 2021 (1.569 Euro), als die Politik ZuschlĂ€ge zur Begrenzung der Eigenanteile an den pflegebedingten Aufwendungen eingefĂŒhrt hatte. Insgesamt kostete ein Heimplatz in Sachsen-Anhalt Ende 2024 durchschnittlich 4.269 Euro. 2017 waren es noch 2.594 Euro.
Ursachen fĂŒr steigende Kosten in der Pflege
Seit der Reform von Pflegestufen zu Pflegegraden im Jahr 2017 ist die Zahl der PflegebedĂŒrftigen in Sachsen-Anhalt um 50 Prozent auf ĂŒber 166.000 gestiegen. Mit mehr Anspruchsberechtigten steigen auch die Ausgaben fĂŒr die Leistungen. Hier greifen nun die leistungsverbessernden MaĂnahmen aus den VorgĂ€ngergesetzen. Zudem finanzieren die Pflegekassen heute 30 Leistungsarten fĂŒr ambulante und stationĂ€re Pflege, darunter auch immer mehr kleinteilige Angebote wie die Nutzung digitaler Pflegeanwendungen oder zusĂ€tzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung.
AuĂerdem ist die soziale Pflegeversicherung in der Covid-19-Pandemie fĂŒr die Auszahlungen ĂŒber den Corona-Rettungsschirm in Vorleistung gegangen. FĂŒr diese versicherungsfremden Leistungen hat der Bund bisher keine kostendeckende Erstattung geleistet â rund 4,5 Mrd. Euro sind hier noch offen.
Zudem hat der Bund bis 2027 die jĂ€hrliche Zahlung von Steuergeldern in Höhe von einer Milliarde Euro ausgesetzt. Und auch fĂŒr das Jahr 2025 zeichnet sich eine LĂŒcke ab: Mit dem PflegestĂ€rkungs- und -Entlastungsgesetz ist eine Dynamisierung der LeistungsbetrĂ€ge vorgesehen. Damit ist jetzt schon klar, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung weiter steigen wird. Da dieser bundeseinheitlich ist, betrifft dies alle Kassen und alle Versicherten.
Foto: Uwe Schomburg, Vorsitzender des Verwaltungsrats und Vertreter der Arbeitgeberseite. (c) Foto: D. Mahler / AOK Sachsen-Anhalt.