Vor Jahren noch undenkbar â jetzt ist sie zurĂŒck: die Debatte um die Wehrpflicht. Auslöser ist die neue Bedrohungssituation in Europa seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Was die Situation fĂŒr Deutschland so gefĂ€hrlich macht, ist der eklatante Personalmangel bei der Bundeswehr. Aktuell liegt die Truppe mit rund 180.000 Soldaten unter der MindeststĂ€rke. Bis 2031 sollen es sogar noch 20.000 mehr sein. Ist das mit einer Freiwilligenarmee zu schaffen?
Der MinisterprĂ€sident von Schleswig-Holstein, Daniel GĂŒnther, CDU, und die Wehrbeauftragten Eva Högl, SPD, meinen âNeinâ. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Wenn man es mit der Geschlechtergerechtigkeit ernst meine, mĂŒsste die Wehrpflicht fĂŒr MĂ€nner und Frauen gleichermaĂen gelten. In Israel, Schweden oder Norwegen ist das bereits RealitĂ€t. DafĂŒr mĂŒsste allerdings das Grundgesetz geĂ€ndert werden. WĂ€re das realistisch?
Die Debatte ĂŒber die WiedereinfĂŒhrung der Wehrpflicht hat an Fahrt aufgenommen, seit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, SPD, Anfang Mai in einer Rede an der Washingtoner Johns-Hopkins-UniversitĂ€t sagte: âIch bin der Ăberzeugung, dass Deutschland eine Art der Wehrpflicht benötigt.â Welche könnte das sein? Ein ZurĂŒck zur alten, allgemeinen Wehrpflicht ist fĂŒr viele undenkbar. Die BefĂŒrworter einer neuen Wehrpflicht sympathisieren stattdessen mit dem schwedischen Modell, bei dem alle 18-JĂ€hrigen angeschrieben, aber nur diejenigen eingezogen werden, die fĂŒr den Bedarf erforderlich sind. Finden sich nicht genug Freiwillige, lĂ€sst das Modell auch Zwang zu. Anderen ist diese Idee der sogenannten âKontingentswehrpflichtâ zu eng gefasst. Sie fordern stattdessen eine soziale Dienstpflicht fĂŒr alle. Der Dienst bei der Bundeswehr wĂ€re dann nur eine Option unter vielen. WĂ€hrend die CDU dieser Idee viel abgewinnen kann, sind FDP und GrĂŒne strikt dagegen, die Wehrpflicht wieder einzufĂŒhren. Und auch von Bundeskanzler Scholz bekommt Verteidigungsminister Pistorius bisher keine RĂŒckendeckung. Warum nicht? WĂ€re die Wehrpflicht dringend geboten, wenn Scholz es mit der âZeitenwendeâ wirklich ernst meinte? Oder kann man eine moderne und professionelle Bundeswehr auch anders erreichen?
DarĂŒber diskutiert WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn mit seinen GĂ€sten:
- Peter Dausend, DIE ZEIT
- Kristina Dunz, RedaktionsNetzwerk Deutschland
- Rudi Wais, Augsburger Allgemeine Zeitung
- Julia Weigelt, freie Journalistin
Text/Foto: phoenix