Magdeburg. „Wir haben es hier mit einer völlig neuen Lage zu tun, die die bekannte europäische Sicherheitsordnung in Frage stellt und herausfordert. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts unterstützt die europäischen und internationalen Anstrengungen, auf das russische Vorgehen in der Ukraine die richtigen Antworten zu finden und angemessene Konsequenzen zu ziehen. Dabei soll die Tür für eine diplomatische Lösung – Kommunikationskanäle müssen immer offen bleiben – nicht zugeschlagen werden“, das erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff heute in seiner Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine.
Der Ministerpräsident befürwortete die Sanktionen gegen Russland. Zugleich müsse geprüft werden, wie die Energiesicherheit in Deutschland und Sachsen-Anhalt gewährleistet werden könne. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Braunkohlenutzung.
Die Rede im Wortlaut
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
der Anlass zu meiner heutigen Regierungserklärung ist ein dramatischer. Die Lage in der Ukraine bietet Grund zu größter Sorge. In der Ukraine herrscht Krieg, Krieg zwischen zwei Brudervölkern. Panzer stehen in diesen Minuten vor direkt Kiew. Die Dimension dieser Katastrophe können wir, so glaube ich, eher erfühlen als rational erfassen. Wir sind in all unseren Gedanken bei den betroffenen Menschen, den Opfern und deren Familien.
Mir ist bewusst, dass in der grundgesetzlichen Ordnung Deutschlands die Außenpolitik keine Ländersache ist. Trotzdem ist auch Sachsen-Anhalt von der Situation in der Ukraine und von der Entwicklung in Russland stark betroffen.
Die Bundesregierung hat, unterstützt auch von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit der Ukraine für Deutschland und seine Partner nicht verhandelbar seien.
„Dies ist ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein dunkler Tag für Europa“ so sagte Bundeskanzler Scholz und beschreibt sehr eindringlich und passend diesen „eklatanten Bruch des Völkerrechts“ durch Russland. Ähnliche Worte sind auch von den NATO-Partnern USA, Großbritannien und Frankreich und in der Europäischen Union zu hören.
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt schließt sich den Bewertungen von Bundesregierung, Europäischer Union und internationalen NATO-Partnern uneingeschränkt an.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir haben es hier mit einer völlig neuen Lage zu tun, die die bekannte europäische Sicherheitsordnung in Frage stellt und herausfordert. Die Landesregierung Sachsen-Anhalts unterstützt die europäischen und internationalen Anstrengungen, auf das russische Vorgehen in der Ukraine die richtigen Antworten zu finden und angemessene Konsequenzen zu ziehen. Dabei soll die Tür für eine diplomatische Lösung – Kommunikationskanäle müssen immer offen bleiben – nicht zugeschlagen werden. Es muss aber klar sein, dass es so nicht weitergehen kann.
Es muss gelingen, die kriegerischen Aktivitäten sofort einzustellen und Frieden und Stabilität wiederherzustellen.
Schärfste Sanktionen gegen Russland sind in Anbetracht der aktuellen Lage auf dem Weg zu diesem Ziel unausweichlich.
Die 27 EU-Staaten haben vorgestern einstimmig erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Weitere Sanktionen sind im Hinblick auf die eskalierende Lage unausweichlich.
In diesem Zusammenhang ist der durch die Bundesregierung vorgenommene Stopp der Inbetriebnahme der Gas-Pipeline Nordstream 2 eine zwingende Entscheidung.
Jetzt müssen wir uns mit der Ukraine solidarisch zeigen. In der aktuellen Lage bekommt das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine, das am 1. September 2017 in Kraft getreten ist, eine besondere Bedeutung.
Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch die durch die EU innerhalb kürzester Zeit bereitgestellte makrofinanzielle Nothilfe in Höhe von 1,2 Mrd. € zur Förderung der Stabilität in der Ukraine. Sachsen-Anhalt wird sich auch bei der heutigen Befassung mit der Ukraine im EU-Ausschuss des Bundesrates entsprechend positionieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
all das ist Realität, das ist das aktuelle Geschehen auf der Weltbühne. Ich weise ausdrücklich auf die vielfältigen Beziehungen Sachsen-Anhalts zu beiden Ländern hin. Wir haben historisch und bis in die heutige Zeit hin starke Verbindungen sowohl zur Ukraine wie auch zu Russland.
So gilt das 1802 erbaute Denkmal für das Magdeburger Recht als das älteste Denkmal in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Es erinnert an die Verleihung des Magdeburger Rechts unter dem König von Polen Johann I. Albrecht an die Stadt Kiew im 15. Jahrhundert. Und die Bedeutung von Katharina aus Anhalt-Zerbst für Russland muss man hier niemandem erklären.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Konflikt erhebliche Auswirkungen auf unser Bundesland hat.
Russland ist unser Importland Nummer eins. Wir importieren Waren und Dienstleistungen i.H.v ca. 3 Mrd. € pro Jahr. Erdgas- und Erdöllieferungen machen dabei den größten Einzelposten aus. Sowohl Bürgerinnen und Bürger wie auch Unternehmen könnten von Lieferengpässen oder Energiesanktionen seitens Russlands unmittelbar betroffen sein. Die Preisentwicklung dieser Importrohstoffe wird jeder Bürger und jedes Unternehmen zumindest kurz- und mittelfristig verspüren.
In dieser neuen geopolitischen Situation muss geprüft werden, wie die Energiesicherheit in Deutschland und in Sachsen-Anhalt langfristig sichergestellt werden kann.
Diese aktuelle Entwicklung wirft noch einmal ein ganz anderes Licht auf das durch die Landesregierung am Dienstag dieser Woche vorgestellte „Strukturentwicklungsprogramm Mitteldeutsches Revier Sachsen-Anhalt“.
Ich sage in dem Zusammenhang ganz klar, dass der Zeitplan zum Ausstieg aus der Braunkohle immer schon ambitioniert war. Die jüngsten Entwicklungen lassen diese generationenübergreifende Aufgabe noch anspruchsvoller erscheinen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Russland muss das Völkerrecht sofort wieder einhalten.
Auch Menschen mit russischem und ukrainischem Migrationshintergrund leben in unserem Bundesland. Sie bringen sich täglich in unser Leben ein, sind Nachbarn und Teil unserer Gesellschaft. Es ist von besonderer Bedeutung, dass wir nun alle dieses friedliche Zusammenleben fortführen.
Wir als politisch Verantwortliche müssen gerade in Krisenlagen die Bedürfnisse der Menschen im Blick behalten und geeignete Maßnahmen treffen oder vorbereiten, auch für den Fall größerer Flüchtlingsbewegungen. Die Ministerin des Innern koordiniert alle diesbezüglichen Erfordernisse mit dem Bund und den Kommunen.
Diese Aufgabe kommt nicht nur der Landesregierung zu – es sind alle demokratischen Parteien gefordert zusammenzustehen und gemeinsam an den besten Lösungen für die Menschen zu arbeiten, für die in der Ukraine, auch in Russland, ja in ganz Europa, und nicht zuletzt in unserem Heimatland Sachsen-Anhalt.
Vielen Dank.
Foto (c) CDU Sachsen-Anhalt