26.07.23 (ams). Viele Menschen vernachlĂ€ssigen die Pausen. Sei es durch Druck von auĂen oder weil sie sich selbst antreiben. „Durchhalten!“ lautet oft die Devise. Ob wĂ€hrend der Arbeit oder im Familienalltag: Pausen helfen dabei, Stress abzubauen, Energie zu tanken und entspannt arbeiten zu können. Doch wie lang sollte die Pause sein und wie sollten wir sie gestalten? Warum auch kleine Pausen wichtig sind und welche Rolle die Achtsamkeit spielt, weiĂ Dr. Sylvia Böhme, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK.
„Wer zu wenig Pausen einlegt, wird langsamer, schneller krank, verliert an Motivation, macht Fehler, und an entsprechenden ArbeitsplĂ€tzen steigt die Unfallgefahr“, betont Psychologin Böhme. Langfristig kann Durcharbeiten zu chronischer Erschöpfung und anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen fĂŒhren. Pausen sind demnach kein Luxus, sondern notwendig, damit wir leistungsfĂ€hig und gesund bleiben.
HĂ€ufig fallen Pausen im Job aus
Doch gut ein Viertel der BeschĂ€ftigten berichtet, dass Pausen hĂ€ufig ausfallen. Das besagen die Daten der Bundesanstalt fĂŒr Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Und fast die HĂ€lfte der Befragten fĂŒhlt sich mĂŒde, matt und erschöpft. Dabei sind die positiven Effekte von groĂen und kleinen Auszeiten inzwischen gut belegt: Blutdruck und Blutzuckerspiegel sinken, das Herz schlĂ€gt langsamer – Erholungszeiten senken demnach das Risiko fĂŒr Herzprobleme. Angespannte Muskeln in Nacken, Schultern, Armen, HĂ€nden, RĂŒcken entspannen sich – das beugt orthopĂ€dischen Problemen vor. Die AusschĂŒttung des Stresshormons Cortisol geht zurĂŒck, sodass das Risiko fĂŒr viele Erkrankungen wie Depressionen, Stoffwechselstörungen, Immunerkrankungen und Schlafstörungen sinkt. Die Atmung wird tiefer, der Kopf freier, es entsteht Raum fĂŒr KreativitĂ€t.
In Erholungsphasen wird im Gehirn das „default mode network“ (deutsch: Ruhezustandsnetzwerk) aktiviert: Die Gedanken schweifen zu persönlichen Erlebnissen in der Vergangenheit oder Zukunft, wir denken ĂŒber andere oder ĂŒber uns selbst nach – eine Möglichkeit, sich zu sortieren, Erlebnisse zu verarbeiten und innerlich Abstand zur Arbeit zu gewinnen. AOK-Expertin Dr. Böhme: „Pausen steigern also unsere Motivation und LeistungsfĂ€higkeit, verbessern unsere Stimmung, beugen Krankheiten vor, wirken MĂŒdigkeit entgegen und sind eine Gelegenheit, innezuhalten.“
FĂŒr inneren und Ă€uĂeren Abstand sorgen
Doch nicht jede Arbeitsunterbrechung bringt die erhoffte Entspannung. Am Bildschirm sitzen bleiben, nebenher ein Brot essen, im Smartphone die Nachrichten checken: Solche Pausen sind wenig erholsam. FĂŒr den Erholungseffekt etwa im Job gibt es zwei Empfehlungen: „Wir sollten, wenn möglich, den Arbeitsplatz verlassen, damit wir auch innerlich Abstand von der Arbeit bekommen“, sagt Psychologin Böhme. âUnd wir sollten etwas anderes machen als bei der Arbeit.“Wenn wir immer am Bildschirm sitzen, ist es gut, mal aufzustehen und uns ein wenig zu bewegen, vielleicht frische Luft oder Sonnenlicht zu tanken. Wenn wir körperlich arbeiten, sorgt Ausruhen fĂŒr Regeneration.“
Pausen wÀhrend der Arbeitszeit
Gesetzlich ist erst nach sechs Stunden Arbeitszeit eine mindestens halbstĂŒndige Ruhepause vorgeschrieben, nach neun Stunden eine Pause von mindestens 45 Minuten. Doch die arbeitspsychologische Forschung zeigt: Einige kurze Pausen sind besser als eine lange. DafĂŒr gibt es mehrere ErklĂ€rungen: „Zu Beginn einer Pause ist der Erholungseffekt am stĂ€rksten. Mit zunehmender PausenlĂ€nge nimmt dieser Effekt ab“, so Dr. Böhme. Zudem summiert sich bei einer lĂ€ngeren Arbeitszeit am StĂŒck die Beanspruchung und kann zu stĂ€rkerer ErmĂŒdung fĂŒhren. Dann reicht eine halbe Stunde möglicherweise nicht mehr, um wieder erfrischt zu sein.
Auch eine Minute hat einen Effekt
Solche kĂŒrzeren Pausen können in den Arbeitsalltag integriert werden, indem beispielsweise die Treppe hoch zu einer anderen Abteilung genutzt wird oder man beim Gang zur KaffeekĂŒche kurz nach drauĂen blickt. Selbst solche Kurz- oder Mikropausen, die weniger als eine Minute dauern können, haben einen Effekt. „Achtsamkeit bedeutet, sich ganz ins Hier und Jetzt zu begeben und dabei bewusst mit allen Sinnen wahrzunehmen, statt an die nĂ€chste Arbeitsaufgabe und den nĂ€chsten Termin zu denken“, sagt Böhme.Â
Die Sinne schÀrfen
Wie erlebe ich den Moment achtsam? DafĂŒr können wir unsere Sinne schĂ€rfen: Wie fĂŒhlt sich die TĂŒrklinke an? Wie riecht der Kaffee? Wie schmeckt der Apfel? Und warum nicht beispielsweise das HĂ€ndewaschen bewusster gestalten? Wie fĂŒhlt es sich an, die FingerzwischenrĂ€ume einzuseifen? Wie fĂŒhlen die HĂ€nde sich vor dem Waschen an und wie danach? Unsere Aufmerksamkeit kann sich auch nach innen richten: Wo sind Verspannungen im Körper? Wie fĂŒhle ich mich gerade? Wir können die eigene Atmung verfolgen: Atme ich flach und schnell oder tief und langsam in den Bauch? Achtsamkeit kommt so unspektakulĂ€r daher, gibt aber Kraft, wenn man sie im Arbeitsalltag praktiziert: „Achtsamkeit entschleunigt, entspannt und verbessert die Regulation von Emotionen und die FĂ€higkeit zur Konzentration. Letztlich ist es ein Akt der SelbstfĂŒrsorge“, betont AOK-Expertin Böhme.
Auch lÀngere Pausen nicht vergessen
SpĂ€testens bei einer lĂ€ngeren Pause sollte man fĂŒr rĂ€umliche Distanz sorgen, sich in die Kantine oder in ein Restaurant begeben oder einen Spaziergang machen. Wenn man an seinem Arbeitsplatz viel redet, ist eine Pause in Stille womöglich wohltuend und umgekehrt: Arbeitet man viel fĂŒr sich, kann ein Treffen mit Kollegen anregend sein. Stellt sich nach dem Mittagessen MĂŒdigkeit ein, spricht zumindest im Homeoffice nichts dagegen, sich ein kurzes Nickerchen zu gönnen. Schon wenige Minuten sorgen fĂŒr mehr Energie. In vielen japanischen und US-amerikanischen Unternehmen gehört der Powernap („nap“ bedeutet auf Deutsch „Nickerchen“), also der sehr kurze Mittagsschlaf, ganz offiziell zur Unternehmenskultur.
Neben den Pausen wĂ€hrend der Arbeit haben natĂŒrlich auch die Erholungsphasen zwischen den Arbeitszeiten ihren Stellenwert: Rein rechtlich ist nach Arbeitsende eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden einzuhalten. Und die richtig lange Pause, nĂ€mlich der Urlaub, sollte mindestens zehn Tage dauern, damit sich eine wirkliche Erholung einstellt. Auch beim Urlaub heiĂt es: Ortswechsel angeraten. Und möglichst vertreten lassen sowie nicht per Mail oder Anruf erreichbar sein.
Text/Foto: AOK