Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Sven Schulze: Gemeinsame Europäische Agrarpolitik muss aufgrund des Ukraine-Kriegs auf den Prüfstand

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Magdeburg. Wie kann die Ernährungssicherheit vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges dauerhaft sichergestellt werden? Sachsen-Anhalt fordert von der Bundesregierung dazu neben einer Bestandsaufnahme einen klaren Plan.

„In der gegenwärtigen Krise gilt es, die heimische Erzeugung zu stabilisieren und auch das Potenzial der hiesigen Landwirtschaft zu nutzen“, sagt Landwirtschaftsminister Sven Schulze (Foto) . Oberste Priorität müsse nun auf der Nahrungsmittelerzeugung liegen. „Ökologische Aspekte sind wichtig, müssen aber für die nötige Zeit in den Hintergrund treten“, so Schulze weiter. Erforderlich seien Maßnahmen, um die Unabhängigkeit von Drittstaaten zu gewährleisten.

Sachsen-Anhalt fordert von der Bundesregierung, alle Strategien der EU einschließlich der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) auf den Prüfstand zu stellen und bereits gefasste produktionseinschränkende Vorgaben zurückzufahren. Die Reform der GAP ab 2023 muss überdacht werden.

Die Forderungen im Einzelnen:

  1. Stilllegungsflächen mindestens zur Futtererzeugung freigeben
  2. Pflichtstilllegung aussetzen oder zumindest über den Anbau von Leguminosen erfüllen

Zudem müssen Einschränkungen bei der Düngung und dem Pflanzenschutz befristet ausgesetzt werden.

„Als Vorsitzender der Agrarministerkonferenz habe ich den Bund gebeten, auf unserer nächsten Tagung am 1. April einen umfassenden Bericht zur Versorgungssicherheit bei der Lebensmittelproduktion abzugeben und einen Plan zur Stärkung der heimischen Landwirtschaft zu erarbeiten“, sagt Landwirtschaftsminister Sven Schulze.

Deutschland und die EU tragen mit ihrer Landwirtschaft auch Verantwortung für die Welternährung. Derzeit ist nicht absehbar, wie groß der Ernteausfall in der Ukraine sein wird und welches Ausmaß die Sanktionen russischer Handelsgüter auf den weltweiten Handel mit Weizen und Mais haben werden. Viele Menschen in Nordafrika und im Nahen Osten sind auf Weizenimporte aus der Schwarzmeerregion angewiesen.

„Wir hoffen, dass der Krieg in der Ukraine so bald wie möglich endet. Wenn wieder Frieden in der Ukraine herrscht, werden wir aber nicht einfach so zum Alltagsgeschäft übergehen können. Nicht erst durch die Corona-Pandemie wurde deutlich, wie sensibel die Lieferketten sind“, so Schulze.

Hintergrund

Es ist zu erwarten, dass der russische Angriff auf die Ukraine Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung hat. Derzeit sind Krisenreserven gut gefüllt und Engpässe in Deutschland nicht zu erwarten. Auf Russland und die Ukraine entfallen allerdings 28,7 Prozent des Welthandelsvolumens an Weizen und 19,5 Prozent des Maishandels. Die Gefährdung der Ernährungssicherheit ist angesichts dieser Größenordnungen real.

Deutschland und die EU werden diesen Ausfall nicht ausgleichen können, dennoch müssen sie ihre eigene Versorgung gewährleisten und auch ihrer Verantwortung im globalen Nahrungsmittelangebot nachkommen. Europa ist ein Gunststandort der landwirtschaftlichen Erzeugung mit produktiven und effizienten Strukturen. Eine Extensivierung der Landwirtschaft – wie beispielsweise durch den Green Deal – und damit einhergehenden Produktionsrückgängen sind deshalb heute von untergeordneter Priorität.

Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) enthält derzeit einige Bestimmungen, die die Produktivität der Landwirtschaft einschränken. So sind im Rahmen des Greenings 5 Prozent der Ackerfläche eines Betriebs für ökologische Vorrangflächen vorzusehen. In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2021 22.280 Hektar im Zuge des Greenings stillgelegt, das entspricht ca. 2,3 Prozent der Ackerfläche des Landes.

Mit der Reform der GAP ab 2023 ist eine Pflichtstilllegung von mindestens 4 Prozent der Ackerfläche vorgesehen. Dies wären entsprechend rund 39.000 Hektar, die nicht mehr für eine landwirtschaftliche Erzeugung zur Verfügung stehen. Produktionsintegrierte Maßnahmen – wie zum Beispiel der derzeit mögliche Anbau von Leguminosen zur Erfüllung des Anteils ökologischer Vorrangflächen – sind aber nicht vorgesehen. Auch sind etwa Selbstfolgen von Weizen auf Grund der Vorgaben zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) nicht mehr erlaubt. Eine Lockerung der Regelungen würde einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Erzeugung leisten.

Foto (c) CDU Sachsen-Anhalt