Nur die Hälfte des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro kann zum Kauf zusätzlicher Ausrüstung für die Bundeswehr verwendet werden. „Der Einsatz des Sondervermögens verfehlt damit die formulierten Ziele“, sagt ifo-Militärexperte Marcel Schlepper. 33% des Sondervermögens gleichen Einsparungen beim Verteidigungsetat im Kernhaushalt aus. 8% werden für Zinsen aufgewendet. Das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels der Nato sei auf Dauer gefährdet. Das geht hervor aus Berechnungen des ifo Instituts kurz vor dem Nato-Gipfel in Vilnius.
„Um dauerhaft zwei Prozent der Wirtschaftsleistung auszugeben, müsste der Verteidigungsetat schon jetzt sichtbar steigen. Das wäre eine echte Zeitenwende, die auch mit Geld abgesichert würde“, sagt ifo-Forscher Florian Dorn. Aktuell finde das Gegenteil statt. Seit 2022 sinke der Verteidigungsetat nach Abzug der Inflation. Im Jahr 2023 verfehlt Deutschland damit das Zwei-Prozent-Ziel um einen zweistelligen Milliardenbetrag und gehört zu den Mitgliedsstaaten mit dem größten Defizit. Geplante Investitionen werden in das Sondervermögen verschoben. Waren im Verteidigungsetat selbst im Jahre 2022 noch 10 Milliarden Euro für neue Ausrüstung vorgesehen, sind es 2024 weniger als 3 Milliarden Euro.
Für die übrigen Ministerien aber weitet sich der Spielraum in Folge der Einsparungen beim Verteidigungsetat aus. „Das Sondervermögen Bundeswehr ermöglicht durch Verschiebungen im Haushalt indirekt eine Umgehung der Schuldenbremse – auch für jene Ausgaben, die nicht Zweck des Sondervermögens sind“, sagt Dorn weiter. Die nächste Bundesregierung müsste mit Auslaufen des Sondervermögens eine noch größere Ausgabenlücke schließen. Die jährliche Lücke zu den zwei Prozent liegt für die Jahre 2026 bis 2029 durchschnittlich bei 25 Milliarden Euro. Hinzu kommen etwa 3 Milliarden Euro für die Zinslast der um 100 Milliarden Euro gestiegenen Schulden. „Die aktuellen Haushaltspläne säen Zweifel, ob Deutschland das 2-Prozent-Ziel wirklich dauerhaft erfüllen will. Das erschwert die Planbarkeit bei den Streitkräften und in der Rüstungsindustrie“, sagt Schlepper.
Text/Foto: ifo Institut am 10. Juli 2023