FDP-Präsidiumsmitglied und Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (Foto) gab „RND.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Eva Quadbeck und Tim Szent-Ivanyi:
Frage: Frau Stark-Watzinger, Finanzminister Lindner hat beim Dreikönigstreffen der FDP von einer zusätzlichen „Bildungsmilliarde“ gesprochen. Hat er Ihnen das Geld schon fest zugesagt?
Stark-Watzinger: Klar ist, dass die finanziellen Spielräume im Bundeshaushalt angesichts der wirtschaftlichen Lage und der steigenden Zinsen extrem eng sind. Umso mehr freue ich mich über die Prioritätensetzung des Finanzministers. Wir sind uns einig, dass bei der Bildung mehr passieren muss.
Frage: Wofür wollen Sie das Geld ausgeben?
Stark-Watzinger: Ich möchte die Bildungsmilliarde zu einer Startchancenmilliarde machen. Das Geld soll also in unser zentrales Bildungsvorhaben fließen, ab dem Schuljahr 2024/25 bundesweit bis zu 4000 Schulen in sozial herausfordernder Lage zu fördern. Das Startchancenprogramm stellt einen echten Paradigmenwechsel dar – weg von der Gießkanne, hin zu einer gezielten Förderung derjenigen, die unsere Unterstützung am meisten brauchen. Die genaue Ausgestaltung des Programms verhandeln wir gegenwärtig mit den Ländern. Ich erwarte, dass sie sich in gleichem Maße finanziell beteiligen.
Frage: Das wären dann insgesamt zwei Milliarden Euro jährlich.
Stark-Watzinger: Richtig, und damit ein großer Hebel für bessere Bildung und mehr Chancengerechtigkeit. Das Programm besteht bewusst aus drei Säulen, wobei die erste dem Ausbau der Infrastruktur dient. Denn ein Problem ist der riesige Investitionsstau in den Schulen. Wir brauchen diese Form der gemeinsamen Kraftanstrengung, um einen echten Unterschied zu machen. Mit dem Startchancenprogramm wollen wir einen substanziellen Beitrag dazu leisten, um Bildungserfolg und soziale Herkunft zu entkoppeln. Noch sind die Länder allein für die Bildung zuständig, aber es ist völlig richtig, dass sich der Bund an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe stärker beteiligt. Und die gute Nachricht ist, dass wir die Bildungsmilliarde verstetigen wollen. Sie soll also dauerhaft Jahr für Jahr zusätzlich fließen.
Frage: Haben Sie eben tatsächlich gesagt, „noch“ seien die Länder allein für die Bildung zuständig? Wollen Sie das ändern?
Stark-Watzinger: Es kann nicht sein, dass der Bund immer nur Geld geben soll, aber kein Mitspracherecht hat. Deshalb müssen wir über eine neue Aufgabenverteilung sprechen. Ich könnte mir Bildung als eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern vorstellen. Mein Ziel ist es, zu einem Kooperationsgebot bei der Bildung zu kommen. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass sich die bisherige KMK-Präsidentin Karin Prien kürzlich offen dafür gezeigt und für eine verstärkte Zusammenarbeit ausgesprochen hat. Noch mehr gefreut hätte mich zwar, wenn sie das noch während ihrer Amtszeit getan hätte, als sie noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten hatte. Aber ich sehe Bewegung in der Debatte.
Frage: Wie sollte eine neue Aufgabenverteilung ihrer Meinung nach aussehen?
Stark-Watzinger: Der Bund sollte für die großen Aufgaben zuständig sein, die sich bundesweit stellen, etwa die Digitalisierung. Er sollte auch für Daten verantwortlich sein, damit wir endlich genau wissen, wo wir bei der Bildung der Kinder und Jugendlichen eigentlich stehen, damit gezielt nachgesteuert werden kann. Drittens wünsche ich mir eine Zuständigkeit des Bundes für das Setzen von einheitlichen Standards. In der heutigen Zeit versteht doch kein Mensch mehr, warum ein Umzug von einem in das andere Bundesland zur Herausforderung beim Schulwechsel wird. Die Kultusministerkonferenz hat sich zwar Standards gegeben, ihnen fehlt es aber oft an Verbindlichkeit.
Frage: Verstehen wir Sie richtig, dass sie zurück wollen zu einer besseren qualitativen Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern, die es früher durch die PISA-Erhebungen gab?
Stark-Watzinger: Mehr Daten sind unbedingt nötig, damit wir Probleme frühzeitig erkennen und gezielt lösen können. Wir müssen den Mut haben, Daten zu erheben, uns den Ergebnissen zu stellen und offen und ehrlich damit umzugehen. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern Bildung besser zu machen.
Frage: Zurück zur aktuellen Bildungspolitik: Es gibt immer wieder die Kritik, dass das „Aufholen-nach-Corona“-Programm 2023 nicht fortgeführt wird, das Startchancenprogramm aber erst im Schuljahr 2024/25 beginnt. Was passiert in der Zwischenzeit?
Stark-Watzinger: Für das Corona-Aufholprogramm, das auch Gutes bewirkt, hat der Bund zwei Milliarden Euro gegeben. Auch für die Integration der Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, haben wir Gelder bereitgestellt. Das Geld aus dem Aufholprogramm muss erst einmal vollständig verwendet werden, ergänzt durch Mittel der Länder. Grundsätzlich macht es jedoch keinen Sinn, mit Ad-hoc-Programmen wie diesem weiterzumachen. Das sagt auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK. Wir müssen systematisch und nachhaltig vorgehen, und genau das machen wir mit dem Startchancenprogramm ab 2024.
Frage: Zu einem anderen Vorhaben, auf das viele warten: Die Einmalzahlung für Studierende und Fachschüler. Wann werden die 200 Euro pro Kopf endlich ausgezahlt?
Stark-Watzinger: Unser Gesetz sieht vor, dass die Länder für die Ausführung zuständig sind. Sie wollten den Weg über eine gemeinsame digitale Antragsplattform gehen und das machen wir jetzt. Ziel ist ein schlankes und unbürokratisches Antragsverfahren. Dabei sind vor allem die große Zahl der einzubindenden Hochschulen und Fachschulen sowie der Datenschutz eine Herausforderung. Die bei den Hochschulen vorliegenden Informationen über die Studierenden etwa wurden nicht dafür erhoben, 200 Euro auszuzahlen.
Frage: Noch mal: Wann kommt das Geld?
Stark-Watzinger: Ich kann gut verstehen, dass die Studierenden ungeduldig auf das Geld warten. Und ich kann Ihnen sagen, jeder Tag früher wäre besser. Wir haben jetzt alles so weit aufgesetzt, dass wir in die konkrete Umsetzung vor allem der Plattform gehen können und planen, dass zeitnah abzuschließen.
Frage: Geht es genauer?
Stark-Watzinger: Die Auszahlung sollte schnellstmöglich erfolgen, noch in diesem Winter.
Frage: Bleiben wir bei den Studierenden und dem Bafög. Die SPD will den Darlehensanteil absenken, am liebsten auf Null. Gehen Sie mit?
Stark-Watzinger: Den Darlehensanteil zu senken, ist ein verständliches Ansinnen, aber angesichts der schwierigen Haushaltslage nicht einfach umzusetzen. Für mich steht im Vordergrund, dass wieder mehr Studierende überhaupt Zugang zum Bafög bekommen. Derzeit erhalten schließlich nur elf Prozent der Studentinnen und Studenten die Förderung. Deshalb haben wir mit der großen Bafög-Reform gleich zu Beginn des letzten Jahres die Einkommensgrenze und auch die Bedarfssätze angehoben. Im nächsten Schritt wollen wir das Bafög noch flexibler und elternunabhängiger machen. Darauf warten die jungen Menschen. Das werden wir noch in dieser Legislaturperiode umsetzen.
Foto: Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung © Bundesregierung/Guido Bergmann