Heute im Bundestag:
Recht/Gesetzentwurf
Berlin: (hib/SCR) Sterbewillige sollen unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu tödlich wirkenden BetĂ€ubungsmitteln erhalten. Das sieht der âEntwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben zur Ănderung weiterer Gesetzeâ (20/2293) vor, den eine fraktionsĂŒbergreifende Gruppe von 45 Abgeordneten um Renate KĂŒnast (B90/Die GrĂŒnen) aus den Fraktionen BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen und SPD vorgelegt hat. Die Vorlage soll am Freitag mit zwei weiteren GesetzentwĂŒrfen zum Thema Sterbehilfe, von denen einer bereits als Drucksache (20/904) vorliegt, und einem Antrag zur SuizidprĂ€vention (20/1121) erstmals im Bundestag beraten werden.
Die Abgeordneten fĂŒhren zur BegrĂŒndung das vom Bundesverfassungsgericht festgestellte âRecht auf selbstbestimmtes Sterbenâ an. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das 2015 beschlossene und im Paragraf 217 des Strafgesetzbuches geregelte âVerbot des geschĂ€ftsmĂ€Ăigen Förderung der Selbsttötungâ deswegen fĂŒr nichtig erklĂ€rt (2 BvR 2347/15). âĂber eine BeschrĂ€nkung bestimmter – gefĂ€hrlicher oder als anstöĂig bewerteter – Formen der Suizidhilfe kann angesichts der durch die Verfassung gesicherten Freiheit ĂŒberhaupt nur und erst dann diskutiert werden, wenn die deutsche Rechtsordnung den Zugang zu angemessenen Hilfsmitteln fĂŒr einen selbstbestimmten Tod im Ăbrigen klar gewĂ€hrleistetâ, schreiben die Abgeordneten weiter.
Mit dem vorgelegten Entwurf sollen zum einen die âVoraussetzungen fĂŒr den Zugang zu BetĂ€ubungsmitteln fĂŒr Strebewillige in medizinischen Notlagenâ (Paragraf 3) und zum anderen die âAllgemeinen Voraussetzungen fĂŒr den Zugang zu BetĂ€ubungsmitteln fĂŒr Sterbewilligeâ (Paragraf 4) geregelt werden.
Im Falle einer medizinischen Notlage soll demnach ein Arzt beziehungsweise eine Ărztin ein entsprechendes BetĂ€ubungsmittel verschreiben können. Voraussetzung dafĂŒr ist untere anderem die schriftliche Fixierung des Sterbewunsches. Zudem muss gelten, dass die Sterbewilligen âvon Ă€rztlicher Seite auf alle infrage kommenden medizinischen Mittel hingewiesen worden sind, die das Leid, das die Notlage begrĂŒndet, auch nur geringfĂŒgig lindern könnten, wobei sich der Arzt oder die Ărztin vergewissern muss, dass es keine anerkannten medizinischen Mittel gibt, die den beschriebenen Leidensdruck verringern könntenâ. Zudem wird eine schriftliche BestĂ€tigung durch einen zweiten Arzt beziehungsweise zweite Ărztin benötigt, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfĂŒllt worden sind. GrundsĂ€tzlich sollen zwischen Erst- und ZweitbestĂ€tigung mindestens zwei Wochen liegen.
AuĂerhalb einer âĂ€rztlichen Behandlung in einer gegenwĂ€rtigen medizinischen Notlageâ ist laut dem Entwurf vorgesehen, dass Sterbewillige ihren Sterbewunsch glaubhaft darlegen sowie eine zweimalige Beratung von einer âzugelassenen unabhĂ€ngigen Beratungsstelleâ nachweisen mĂŒssen. âDas BeratungsgesprĂ€ch hat vom Grundwert jedes Menschenlebens auszugehen und verfolgt im Ăbrigen das Ziel, dass den Sterbewilligen alle UmstĂ€nde und Hilfsangebote bekannt werden, die ihre Entscheidung Ă€ndern könntenâ, heiĂt es in dem Entwurf. Zwischen den beiden GesprĂ€chen ist demnach eine Wartezeit von mindestens zwei und maximal zwölf Monaten vorgesehen.
Laut dem Entwurf muss der Sterbewunsch âvon Sterbewilligen in AusĂŒbung ihres freien Willens eigenhĂ€ndig vollzogen werdenâ. Das verschriebene BetĂ€ubungsmittel kann demnach an den Sterbewilligen selbst oder, wenn die Sterbewilligen es wĂŒnschen, an eine Ărztinnen beziehungsweise einen Arzt oder an einen âzugelassenen Hilfsanbieterâ abgegeben werden, die die Sterbewilligen begleiten und unterstĂŒtzen. Die Sterbebegleitung durch Dritte, die nicht Ărztinnen und Ărzte sind, soll laut Entwurf möglich sein. Wenn es sich dabei um ein geschĂ€ftsmĂ€Ăiges Angebot handelt, ist eine Zulassung erforderlich. Die Zulassung soll einerseits zuverlĂ€ssiges Personal voraussetzen sowie davon abhĂ€ngen, dass geschĂ€ftsmĂ€Ăige Hilfsanbieter Sterbewillige âselbstlosâ im Sinne des Paragrafen 55 der Abgabeordnung, ânicht gewerblich und nicht zu Erwerbszwecken unterstĂŒtzenâ.
Der Entwurf sieht zudem strafrechtliche Regelungen vor. Danach soll mit Freiheitsstrafe bis zu fĂŒnf Jahren bestraft werden, wer unrichtige oder unvollstĂ€ndige Angaben macht, um fĂŒr andere oder zum Missbrauch fĂŒr Straftaten eine Bescheinigung fĂŒr die Abgabe des BetĂ€ubungsmittels zu erhalten. Als Ordnungswidrigkeit soll unter anderem die âgrob anstöĂigeâ Werbung geahndet werden können.
Anpassungen sind zudem im BetÀubungsmittelgesetz vorgesehen. Darin soll die Abgabe der entsprechenden BetÀubungsmittel ermöglicht werden. Zudem sieht der Entwurf eine VerordnungsermÀchtigung vor, mit der weitere Mittel neben dem Entwurf schon festgeschriebenen Natrium-Pentobarbital als tauglich eingestuft werden können.
Die hib-Meldung zum Gesetzentwurf von 85 Abgeordneten zu einer Regelung der Suizidhilfe im Strafgesetzbuch: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-883512
Die hib-Meldung zum Antrag zur SuizidprÀvention: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-886446