Magdeburg. Sozialdemokraten hatten die dynamische Großstadt Magdeburg in der Weimarer Republik als „Rote Stadt“ stilisiert. Der Umsturz der „Machtergreifung“ sie deshalb umso härter. Langjährige Republikgegner verfielen dagegen angesichts der neuen braunen Machthaber trotz Gewalt und Terror zunächst in Hochstimmung. Die szenische Lesung ist ein weiterer Beitrag zum „Gedenkjahr Magdeburg 2023. Die Elbestadt im Nationalsozialismus.“
Gleich dreimal besetzten Nationalsozialisten in den Märztagen vor 90 Jahren das Magdeburger Rathaus, um ihren Machtanspruch zu unterstreichen. Dies war kein Zufall, denn die Großstadt an der Elbe galt in der Weimarer Republik als „rote“ – sozialdemokratische – Hochburg. Die turbulenten gewaltsamen Ereignisse der „Machtergreifung“ in Magdeburg und ihre Vorgeschichte ruft am Dienstag, 14. März, eine szenische Lesung mit dem Schauspieler Jochen Gehle in der Stadtbibliothek in Erinnerung.
Der Terror, der auf die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Januar folgte, traf zunächst politische Gegner wie Kommunisten und jüdische Bürger. Daneben wollten sich die neuen Machthaber aber auch mit Wahlen pseudodemokratisch legitimieren. Gleiche Bedingungen waren spätestens nach dem Reichstagsbrand Ende Februar jedoch nicht mehr gegeben; stattdessen wurden SA-Männer zu Hilfspolizisten erklärt und machten unverhohlen Jagd auf Oppositionelle. Als Oberbürgermeister Ernst Reuter buchstäblich aus seinem Amtszimmer geworfen wurde, hatten sich hinter den Kulissen Nationalsozialisten und langjährige Gegner der demokratischen Republik bereits geeinigt.
In der ersten Märzhälfte bestimmten 1933 in Magdeburg nahezu täglich symbolische Inbesitznahmen öffentlicher Gebäude und Einrichtungen, Aufmärsche und spektakuläre Gewalttaten das Bild. Gleichwohl herrschten im Lager der Republikgegner, treuen Monarchisten und unter Leidtragenden der Wirtschaftskrise Hoffnung und sogar Euphorie vor, dass sich die Verhältnisse mit dem umstürzenden Umschwung schnell zum Besseren wenden würden. Pressefreiheit und Freiheitsrechte des Einzelnen verringerten sich und wurden schließlich ganz unterbunden.
Nicht wenige Verbände, Vereine und andere gesellschaftliche Zusammenschlüsse sollten sich unter diesen Bedingungen sehr bald eilfertig selbst „gleichschalten“, um ihre Existenz zu bewahren. Neben Opportunismus zeigten sich in dieser offenen Phase der „Machtergreifung“ vor Ort aber auch Formen überschwänglicher Zustimmung in teilweise spontanen öffentlichen Kundgebungen.
Alle interessierten Gäste sind zur szenischen Lesung „Eine rote Stadt wird braun“ mit dem Schauspieler Joche Gehle am Dienstag, 14. März, um 17 Uhr in der Zentralbibliothek der Stadtbibliothek im Breiten Weg herzlich willkommen. Die Veranstaltung ist Teil der laufenden Reihe „Gedenkjahr Magdeburg 2023“. Anmeldungen sind nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.
Foto/Text: Stadtbibliothek Magdeburg / Dr. Maik Hattenhorst