Bundesumweltministerin Steffi Lemke schlägt den Bundesländern neue Regelung zum erleichterten Abschuss von Wölfen in Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen vor
Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat heute in Berlin ihre Vorschläge vorgestellt, wie Wölfe nach Rissen schneller geschossen werden können. Das Verfahren steht im Einklang mit dem europäischen Artenschutz. Es sieht vor, dass 21 Tage lang auf einen Wolf geschossen werden darf, der sich im Umkreis von 1.000 Metern von der Rissstelle aufhält. Anders als im bisherigen Verfahren muss hierfür nicht das Ergebnis einer DNA-Analyse abgewartet werden. Die Ausnahmegenehmigung für den Abschuss kann von den Behörden erteilt werden, nachdem ein Wolf zumutbare Herdenschutzmaßnahmen in zuvor festgelegten Regionen mit erhöhtem Rissvorkommen überwunden und Weidetiere gerissen hat.
Der Vorschlag des BMUV bedeutet: schnellere Verfahren, mehr Schutz und Sicherheit für die Weidetierhalter*innen, Rechtssicherheit für die Bundesländer und Konsistenz mit europäischen und nationalen Regelungen. Vor allem aber ist dieser Vorschlag schnell in der Praxis umsetzbar und erfordert keine europäischen und nationalen Rechtsänderungen. Er ist lösungsorientiert und praktisch. Gemeinsam mit den Ländern arbeitet das BMUV zudem an begleitenden Maßnahmen wie der Einführung von Musterbescheiden, die den Verwaltungsaufwand der Länder weiter reduzieren und damit entbürokratisieren würden. Ihre Vorschläge bringt Bundesumweltministerin Lemke in den derzeit laufenden Prozess mit den Ländern ein; Ziel ist eine Beschlussfassung der Umweltministerkonferenz Ende November.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Foto): „Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland hat zu Konflikten und Herausforderungen geführt. Für Weidetierhalterinnen ist es ein schwerer Verlust, wenn Tiere nach einem Wolfsriss verendet auf der Weide liegen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional. Diese Sorgen und Probleme nehme ich ernst. Ich habe daher den Bundesländern einen Weg vorgeschlagen, um Wölfe nach Rissen auf Weidetiere schneller und unkomplizierter abschießen zu können. Mein Vorschlag ist unkompliziert umsetzbar und praktikabel, ohne langwierige nationale oder europäische Gesetzesänderungen. Denn es ist offensichtlich: Die Weidetierhalterinnen brauchen so bald wie möglich mehr Schutz und Sicherheit, gleichzeitig müssen wir das europäische Artenschutzrecht einhalten. Beide Ziele möchte ich zügig mit den Bundesländern voranbringen.“
Der Vorschlag für Schnellabschüsse sieht vor, dass in Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen Abschussgenehmigungen schneller erteilt werden können, weil nicht mehr das Ergebnis eines DNA-Tests abgewartet werden muss. Sobald es einen Wolfsübergriff auf Weidetiere in Gebieten mit erhöhtem Rissvorkommen gibt, die durch Herdenschutzmaßnahmen zumutbar gesichert waren, kann nach Erhalt der Abschussgenehmigung 21 Tage lang im Umkreis von 1.000 Metern um die Weide ein Wolf geschossen werden. Die DNA-Analyse wird aber dennoch durchgeführt, um im weiteren Verlauf zu klären, ob der den Riss verursachende Wolf getroffen wurde.
Durch die Umkreisregelung ist es deutlich wahrscheinlicher, den schadenverursachenden Wolf zu treffen. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass es ein Wolf nach erfolgreichen Übergriffen häufig an derselben Herde erneut versucht. So ist in einer Untersuchung aus Schweden festgestellt worden, dass das Risiko eines erneuten Übergriffs in einem nahen Umkreis zeitnah nach einem Übergriff besonders hoch war. Der Vorschlag macht sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Ich habe diesen Vorschlag den Bundesländern unterbreitet und werde ihn der Umweltministerkonferenz Ende November nach weiterer Beratung mit den Ländern zur Beschlussfassung vorlegen. Parallel arbeite ich mit den Ländern an begleitenden Maßnahmen wie zum Beispiel der Erstellung von Musterbescheiden, die den Genehmigungsprozess in den Länderverwaltungen erheblich vereinfachen und entbürokratisieren sollen. Zusammen mit der Schnellabschuss-Regelung ist das eine gute Grundlage für ein effektives und regionales Wolfsmanagement, bei dem Probleme schnell angegangen werden können, ohne die Regelungen des europäischen Artenschutzes zu verletzen.“
Der Wolf ist in Deutschland laut europäischer Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) streng geschützt und stellt eine prioritäre Art dar, für deren Erhaltung allen Staaten der Europäischen Union eine besondere Verantwortung zukommt. Der Erhaltungszustand des Wolfes ist alle sechs Jahre im Rahmen der FFH-Richtlinie zu ermitteln. Seine Einstufung bemisst sich europaweit nach einheitlichen Kriterien. Dies sind neben der Population die Merkmale Verbreitung, Größe und Qualität des Habitats sowie Zukunftsaussichten. Der nächste FFH-Bericht ist – für alle FFH-Arten – im Jahr 2025 abzugeben.
Laut der aktuellen jährlichen Veröffentlichung des Bundesamts für Naturschutz (BfN) gab es für das Monitoringjahr 2022/2023 in Deutschland 184 Wolfsrudel, 47 Paare und 22 Einzelwölfe, d.h. in der Summe 253 Wolfs-Territorien. Das geht aus den Erhebungen der Bundesländer hervor, die hierfür mehrere zehntausend Hin- und Nachweise ausgewertet haben. Die meisten Wolfsrudel lebten im Wolfsjahr 2022/2023 in Brandenburg (52), gefolgt von Niedersachsen (39) und Sachsen (38). Anlässlich des Monitorings wurden im abgeschlossenen Monitoringjahr in den bestätigten Wolfsterritorien insgesamt 1.339 Wolfsindividuen nachgewiesen: 439 adulte Wölfe, 83 Jährlinge (Wölfe im 2. Lebensjahr) und 634 Welpen (Wölfe im 1. Lebensjahr) sowie 183 Wölfe die altersmäßig keiner dieser Gruppen eindeutig zuordenbar waren.
Im vorhergehenden Monitoringjahr 2021/2022 wurden 245 Territorien, 162 Rudel, 58 Paare und 25 Einzelwölfe nachgewiesen. In den beiden vergangenen Monitoringjahren zeigten die Daten aus dem Wolfsmonitoring der Bundesländer einen geringeren Anstieg der Anzahl an Territorien als in den davorliegenden Monitoringjahren.
Der Wolf ernährt sich zu über 95 Prozent von Wild, das heißt, er frisst im Regelfall im Wald, nicht auf der Weide. Seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland vor über 20 Jahren gab es keinen Übergriff auf einen Menschen. Angriffe in anderen Regionen der Welt begründen sich hauptsächlich auf die in Deutschland und dem Großteil Europas nicht mehr existierende Tollwut.
Foto: Steffi Lemke MdB (c) Bündnis 90/Die Grünen