Team der UniversitĂ€t TĂŒbingen entdeckt an MĂ€usen, wie es zu Missbildungen der BlutgefĂ€Ăe kommen kann â Neue Einblicke in bestimmte Netzhauterkrankungen des Auges.
Das Herz pumpt Blut durch das GefĂ€Ăsystem und versorgt die Zellen mit Sauerstoff und Energie. Die Feinregulierung des Blutflusses ĂŒbernehmen glatte Muskelzellen in den GefĂ€Ăen. Wenn sie ihre Aufgabe nicht erfĂŒllen können, kann es zu Fehlbildungen und Erweiterungen des BlutgefĂ€Ăsystems kommen. Das hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Alfred Nordheim vom InterfakultĂ€ren Institut fĂŒr Zellbiologie der UniversitĂ€t TĂŒbingen gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus TĂŒbingen, MĂŒnster und dem schwedischen Uppsala im Tierversuch herausgefunden. Die neuen Studienergebnisse, die in der Fachzeitschrift Circulation Research veröffentlicht wurden, lieĂen sich experimentell auf ein Modell fĂŒr eine bestimmte Netzhauterkrankung des Auges bei FrĂŒhgeborenen ĂŒbertragen. Hier liefern die Studienergebnisse einen potenziellen Ansatz zu neuen Behandlungsmöglichkeiten.
In den arteriellen und venösen BlutgefĂ€Ăen regeln glatte Muskelzellen durch gezieltes Zusammenziehen und Entspannen, wo mehr und wo weniger Blut hinflieĂt. Sie geben dem GefĂ€Ănetzwerk auĂerdem die nötige Festigkeit, um dem Blutdruck standzuhalten. Im Experiment haben Alfred Nordheim und sein Team in MĂ€usen das Gen fĂŒr den sogenannten Serum-Response-Faktor (SRF) inaktiviert, der das Kontraktionsvermögen der Zellen maĂgeblich reguliert. âDas fĂŒhrte zu einer deutlichen Erweiterung der BlutgefĂ€Ăe und zu GefĂ€Ămissbildungenâ, berichtete Nordheim.
Verminderte Durchblutung
Bei den Missbildungen handele es sich um Direktverbindungen zwischen Arterien und Venen, erklĂ€rte der Forscher. âDie Arterien nehmen eine AbkĂŒrzung zu den Venen und umgehen dabei kleinste MikrogefĂ€Ăe. Ăhnliche Missbildungen sind auch bei bestimmten seltenen BlutgefĂ€Ăkrankheiten beim Menschen bekannt. Unser Team konnte zeigen, dass durch solche AbkĂŒrzungen das umliegende Gewebe nur noch vermindert durchblutet wird.â Durch die fehlende Festigkeit der glatten Muskelzellen sei es sogar teilweise zu BrĂŒchen in den GefĂ€Ăen gekommen.
Gedankensprung zu einer weiteren Erkrankung
âDas neu gewonnene Wissen brachte uns auĂerdem auf die Spur einer ganz anderen Erkrankung, der sogenannten ischĂ€mischen Retinopathie. Das ist eine Netzhauterkrankung des Auges bei FrĂŒhgeborenen, die im schlimmsten Fall zur Erblindung fĂŒhren kannâ, berichtet der Erstautor der Studie Dr. Michael Orlich von der UniversitĂ€t Uppsala. Durch eine Ăberreaktion beim Wachstum der BlutgefĂ€Ăe komme es dabei zu krankhaften VerĂ€nderungen bestimmter Zellen, der Perizyten. âDie krankhaften Perizyten produzieren dabei unter anderem, Ă€hnlich wie die glatten Muskelzellen, kontraktile Proteineâ, erklĂ€rt Orlich. âWir hatten nun erwartet, dass der Serum-Response-Faktor auch hier eine wichtige Rolle spielt. AuĂerdem nahmen wir anr, dass sich die Symptome der Netzhauterkrankung bessern, wenn die Ăberreaktion der Perizyten gedĂ€mpft wird.â
Seine Annahmen ĂŒberprĂŒfte das Forschungsteam experimentell an MĂ€usen, bei denen eine Erkrankung vergleichbar mit der ischĂ€mischen Retinopathie ausgelöst wurde. âAls wir den Serum-Response-Faktor in den Perizyten dieser MĂ€use gezielt ausschalteten, nahmen die Krankheitssymptome abâ, fasst Orlich die Ergebnisse zusammen. So habe man einen potenziellen Ansatz fĂŒr neue Behandlungsmöglichkeiten der ischĂ€mischen Retinopathien beim Menschen gewonnen.
Foto: Retinale BlutgefĂ€Ăe in einer Kontrolle und bei einer gezielten Inaktivierung des Serum-Response-Faktors (SRF) in glatten Muskelzellen. In der Kontrolle gehen die Arterien (A) flieĂend in kleinste MikrogefĂ€Ăe ĂŒber. Diese fĂŒhren wiederum zu den Venen (V), welche das Blut zum Herzen zurĂŒckfĂŒhren. Bei einer SRF-Inaktivierung in glatten Muskelzellen umgehen die Arterien weitestgehend die MikrogefĂ€Ăe und fĂŒhren direkt zu den Venen. Durch diese AbkĂŒrzung wird das umliegende Gewebe weniger mit Blut versorgt. Der schwarze Balken (rechts unten) entspricht 1 Millimeter. (c)