Sachsen-Anhalts Energieminister Prof. Dr. Armin Willingmann sieht die Versorgungssicherheit im kommenden Winter auch ohne Atomkraft gesichert. „Wir brauchen keine nochmalige Laufzeitverlängerung über Mitte April 2023 hinaus“, betonte Willingmann am heutigen Mittwoch. Der Minister verwies weiter auf die geringe Bedeutung von Atomenergie im aktuellen Energiemix: „Die letzten drei verbliebenen Kernkraftwerke tragen in diesem Winter nur rund fünf Prozent zur deutschen Stromerzeugung bei. Gleichzeitig exportiert Deutschland derzeit besonders viel Strom in andere europäische Länder, vor allem nach Frankreich. Diese Sondersituation, insbesondere aufgrund von technischen Problemen in zahlreichen französischen Kraftwerken, entspannt sich zusehends. Auch aus diesem Grunde können die deutschen Atommeiler in Kürze problemlos in Rente gehen.“
Wie Willingmann sehen auch die Bundesnetzagentur sowie mehrere wissenschaftliche Institute durch den 2011 mit breiter Mehrheit im Bundestag beschlossenen Atomausstieg keine Gefahr für einen Blackout, also einen großflächigen, andauernden Stromausfall. Der maximale Stromverbrauch liegt in Deutschland bei rund 80 Gigawatt (GW). Gleichzeitig befinden sich 107 GW gesicherte Leistung am Netz – also ohne Wind- und Solarenergie. Das heißt: Auch an Wintertagen mit wenig Sonne und Wind sind die Atomkraftwerke mit insgesamt vier GW Leistung nicht für die Versorgungssicherheit notwendig. Mehr noch: Bei einer ausgeglichenen Stromaustauschbilanz mit den europäischen Nachbarn könnte nicht nur auf Kernenergie verzichtet werden, sondern zusätzlich sogar noch auf ein Drittel der Gasverstromung.
Unabhängig von der Frage nach der Beschaffung geeigneter Brennstäbe lassen die drei deutschen AKW-Betreiber derzeit auch keine Bereitschaft erkennen, die Atommeiler über den nun finalen Termin hinaus weiter am Netz zu lassen. Zuletzt wurde seitens der Betreiber betont, dass es für den AKW-Betrieb längerer Planung und Sicherheit bedarf und diese daher auch für einen Reservebetrieb ungeeignet seien.
Ein Weiterbetrieb der allesamt über dreißig Jahre alten Atommeiler hätte keinen nennenswerten positiven Effekt auf die Versorgungssicherheit, sondern würde im Gegenteil die Energiewende unnötig verschleppen und verteuern. Auch die Auswirkungen auf den Strompreis wären nur sehr gering: Das Ifo-Institut München etwa rechnet für 2023 bei einer nochmaligen Laufzeitverlängerung mit vier Prozent niedrigeren Preisen und für 2024 mit 1,2 Prozent. Aufgrund der zuletzt deutlich gesunkenen Marktpreise für Strom und Gas dürfte dieser Effekt sogar noch geringer ausfallen.
Auch auf den Gaspreis würde sich eine Laufzeitverlängerung kaum auswirken, weil dadurch laut Schätzungen nur rund ein Prozent des Gasverbrauchs eingespart wird. „Wir brauchen Atomkraft also weder für die Versorgungssicherheit noch für die Bezahlbarkeit“, betont Willingmann. „Schließlich spricht auch die noch immer nicht geklärte Endlagerfrage für einen endgültigen deutschen Abschied von dieser Hochrisiko-Technologie. Nachdem die Ampel-Koalition im Herbst 2022 die Laufzeit aufgrund der Energiekrise bis Mitte April 2023 verlängert hatte, sollte das Kapitel Energieversorgung durch Kernspaltung in Deutschland danach tatsächlich enden.“
Zuletzt wurde auch über Kernfusion als mögliche Zukunftstechnologie zur Energiegewinnung diskutiert. „Ich begrüße es, dass die Bundesregierung mehr als 140 Millionen Euro pro Jahr in die Kernfusionsforschung der Max-Planck-Institute in Greifswald und Garching investiert und dass sich die EU mit mehr als 20 Milliarden Euro am ‚ITER‘-Forschungsprojekt engagiert“, erklärte Willingmann. „Bis allerdings Kernfusion eine ausgereifte Technologie für die Energieversorgung und wirtschaftlich nutzbar sein könnte, werden aller Voraussicht nach jedoch noch sehr viele Jahre vergehen. Unabhängig von der Notwendigkeit weiterer Forschung nach dem jetzt erzielten ersten Erfolg unter Laborbedingungen kann Kernfusion in der aktuellen Energiepolitik keine Rolle spielen.“
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Text: Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz & Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt