Die Wirtschaft in Deutschland ist aus Sicht der fĂŒnf fĂŒhrenden Wirtschaftsforschungsinstitute angeschlagen. In ihrem FrĂŒhjahrsgutachten revidieren sie ihre Prognose fĂŒr das laufende Jahr deutlich nach unten und erwarten nun nur noch einen Zuwachs der Wirtschaftsleistung um 0,1%. Im Herbstgutachten standen noch 1,3% in Aussicht. FĂŒr das kommende Jahr belassen sie die Prognose mit plus 1,4% nahezu unverĂ€ndert (bislang 1,5%). Die Wirtschaftsleistung fĂ€llt dann aber infolge der verzögerten Erholung um ĂŒber 30 Mrd. Euro niedriger aus.
Laut Gutachten geht eine bis zuletzt zĂ€he konjunkturelle SchwĂ€chephase mit schwindenden WachstumskrĂ€ften einher. In der lahmenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ĂŒberlagern sich konjunkturelle und strukturelle Faktoren. Zwar dĂŒrfte ab dem FrĂŒhjahr eine Erholung einsetzen, die Dynamik wird aber insgesamt nicht allzu groĂ ausfallen.
âIm bisherigen Dreiklang aus lahmender Konjunktur, lĂ€hmender Politik und leidendem Wachstum Ă€ndert sich nur die konjunkturelle Tonlage von Moll auf Durâ, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef am Kiel Institut fĂŒr Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Im laufenden Jahr avanciert der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft fĂŒr die Konjunktur, im kommenden Jahr dann vermehrt auch das AuslandsgeschĂ€ft.
Derzeit bewegt sich die Wirtschaftsleistung auf einem Niveau, das kaum ĂŒber dem vor der Pandemie liegt. Seitdem tritt die ProduktivitĂ€t in Deutschland auf der Stelle. AuĂen- und binnenwirtschaftlich gab es zuletzt mehr Gegen- als RĂŒckenwind.
Der private Konsum zog spĂ€ter und weniger dynamisch an als bislang von der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose erwartet. Die deutschen Ausfuhren gingen trotz steigender weltwirtschaftlicher AktivitĂ€t zurĂŒck, vor allem, weil die Nachfrage nach den fĂŒr Deutschland bedeutsamen Investitions- und VorleistungsgĂŒtern schwach war und die preisliche WettbewerbsfĂ€higkeit bei energieintensiven GĂŒtern litt.
FortwĂ€hrende Unsicherheit ĂŒber die Wirtschaftspolitik belastet die Unternehmensinvestitionen, die sich trotz der erwarteten Belebung im kommenden Jahr dann auf dem Niveau des Jahres 2017 bewegen dĂŒrften.
Die Effektivverdienste werden in den Jahren 2024 und 2025 voraussichtlich um 4,6 bzw. 3,4% zulegen. Damit nehmen die Reallöhne ĂŒber den gesamten Prognosezeitraum zu und holen die Verluste aus dem Jahr 2022 und dem ersten Halbjahr 2023 langsam wieder auf. Das Niveau von Ende 2021 â also vor dem drastischen Inflationsschub â wird aber voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2025 erreicht.
Insgesamt erwarten die Institute einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3% im laufenden und um 1,8% im kommenden Jahr. Bereinigt um den dÀmpfenden Effekt der Energiepreise ergeben sich Kerninflationsraten von 2,8 (2024) und 2,3% (2025).
Ein robuster Arbeitsmarkt stĂŒtzt die konsumbezogenen AuftriebskrĂ€fte. Die realen LohnstĂŒckkosten nehmen im Zuge der Lohnsteigerungen zwar wieder deutlich zu, bleiben aber beschĂ€ftigungsfreundlich.
Die Arbeitslosigkeit dĂŒrfte nur noch geringfĂŒgig steigen und bereits ab dem FrĂŒhjahr wieder sinken. Auf Jahressicht prognostizieren die Institute Arbeitslosenquoten von 5,8 (2024) und 5,5% (2025).
Die FehlbetrĂ€ge im gesamtstaatlichen Haushalt gehen in Relation zur Wirtschaftsleistung von 2,1% im Vorjahr auf 1,6 (2024) und 1,2% (2025) zurĂŒck. Die Einnahmenquote der öffentlichen Hand erreicht in den beiden Prognosejahren mit 47,5 und 48,4% jeweils gesamtdeutsche Rekordwerte.
Wirtschaftspolitisch empfehlen die Institute eine behutsame Reform der Schuldenbremse basierend auf dem Vorschlag der Deutschen Bundesbank, der mehr schuldenfinanzierte Investitionen als bislang zulÀsst. Zudem regen sie an, die Defizitbegrenzung nach einem Ziehen der Ausnahmeklausel nicht mehr abrupt, sondern stufenweise wieder scharf zu stellen.
Wichtiger sei aber eine Neugestaltung der staatlichen Finanzverfassung, um kommunale InvestitionstĂ€tigkeit â gut 40% der gesamten öffentlichen Investitionen â besser von konjunkturell bedingten Haushaltsnöten abzuschirmen.
Text/Foto: ifo Institut am 27. MĂ€rz 2024