Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, hat Bundesfinanzminister Lindner aufgefordert, seine Blockadehaltung in den aktuellen Haushaltsverhandlungen aufzugeben, um eine „soziale Katastrophe“ zu verhindern. Im phoenix-Politik-Podcast „unter 3“ sagte Fahimi: „Ich halte es fĂŒr unabdingbar, wenn wir nicht in eine politische und soziale Katastrophe laufen wollen, dass der Bundesfinanzminister seine Blockade aufgibt.“ Die ganze Welt, so Fahimi bei phoenix weiter, halte Deutschland fĂŒr „verrĂŒckt, dass wir eine so restriktive Schuldenbremse haben, mit der wir die notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht ausreichend tĂ€tigen können.“
Im GesprĂ€ch mit phoenix-Hauptstadtkorrespondent Erhard Scherfer und Politikwissenschaftler Thorsten Faas ergĂ€nzte Fahimi im Hinblick auf ĂuĂerungen von Experten und VerbĂ€nden: „Es ist wirklich ein bisschen ‚Christian Lindner allein zu Haus‘. Er muss an der Stelle einfach gemeinsam mit den anderen Spitzen, dem Kanzler, dem Vizekanzler, Lösungen finden, wie wir mehr Luft im Regelhaushalt schaffen.“
Die Aufgaben seien vielfĂ€ltig und es gehe darum, die Menschen mitzunehmen, ihnen zu zeigen, wie sozialer Fortschritt erreicht werden könne, der Grundlage fĂŒr wirtschaftliche ProsperitĂ€t und Standortfaktor sei. Wenn in der Haushaltsdebatte der Sozialstaat immer wieder „angeknabbert“ werde, „dann laufen wir wirklich Gefahr, dass wir nicht nur im ausreichenden MaĂe nachholende Investitionen nicht tĂ€tigen, sondern dass wir sogar noch in der Substanz die Dinge kaputt machen. Dann will ich nicht wissen, wie die nĂ€chsten Wahlen ausgehen“, warnte Fahimi.
Zur Diskussion um das BĂŒrgergeld sagte Yasmin Fahimi in „unter 3“: „Ich bin entsetzt darĂŒber, in welchem AusmaĂ wir dort eine Scheindebatte ĂŒber Verteilungskonflikte fĂŒhren.“ Sie könne dies nur so interpretieren, dass es in Wahrheit darum gehe, den Sozialstaat „kurz und klein zu hauen“. Es habe eine „Verdrehung“ der Diskussion stattgefunden, die sie so interpretiere, dass versucht werde, die offensichtlichen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft nach unten zu verschieben, um nicht mehr ĂŒber Ungerechtigkeiten an der Spitze zu reden. „Deutschland ist eine Steueroase fĂŒr Vermögende. In Deutschland wird Einkommen aus Kapitalvermögen geringer besteuert als Einkommen aus Arbeit. Wir haben nach wie vor keine Vermögenssteuer und ĂŒber diese Ungleichheit wird nicht geredet, obwohl wir in Deutschland eines der LĂ€nder sind, mit den gröĂten sozialen Ungleichheiten, auch was Vermögensverteilung angeht“, so Yasmin Fahimi.
Mit Blick auf den Zustand der Mitbestimmung in den Betrieben in Deutschland, kritisierte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass diese immer hĂ€ufiger blockiert werde. „Wir erleben inzwischen, dass jede fĂŒnfte neue Betriebsratswahl von Arbeitsgebern massiv und mit illegalen Mitteln torpediert wird. Da mĂŒsste es eigentlich einen Aufschrei geben“, so Yasmin Fahimi. Das Vorgehen von Arbeitgebern, die Betriebsratswahlen behinderten, mĂŒsse hart sanktioniert werden, Initiatoren von Betriebsratswahlen brĂ€uchten KĂŒndigungsschutz und es brauche ein digitales Zugangsrecht fĂŒr Gewerkschaften, um mit BeschĂ€ftigten auch in Zeiten von mobilen Arbeiten im GesprĂ€ch zu bleiben.
Foto: Yasmin Fahimi (c) Susi Knoll