- Zahl der KindeswohlgefĂ€hrdungen steigt gegenĂŒber 2022 um mindestens 2 % auf 63 700 FĂ€lle
- Daten aus mehreren JugendÀmtern fehlen: SchÀtzung geht von tatsÀchlichem Anstieg um bis zu 8 % auf 67 300 FÀlle aus
- Betroffene Kinder waren im Schnitt etwa 8 Jahre alt
- In 73 % der FÀlle ging die GefÀhrdung (hauptsÀchlich) von einem Elternteil aus
Die Zahl der KindeswohlgefĂ€hrdungen in Deutschland hat im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht: Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, stellten die JugendĂ€mter bei mindestens 63 700 Kindern oder Jugendlichen eine KindeswohlgefĂ€hrdung durch VernachlĂ€ssigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest. Das waren rund 1 400 FĂ€lle oder 2 % mehr als im Jahr zuvor. Da einige JugendĂ€mter fĂŒr das Jahr 2023 keine Daten melden konnten, ist aber sicher, dass der tatsĂ€chliche Anstieg noch deutlich höher ausfiel:
Werden fĂŒr die fehlenden Meldungen im Jahr 2023 die Ergebnisse aus dem Vorjahr hinzugeschĂ€tzt (+3 300 FĂ€lle), liegt der Anstieg der KindeswohlgefĂ€hrdungen gegenĂŒber dem Vorjahr bei 4 700 FĂ€llen oder 7,6 %. Wird zusĂ€tzlich der allgemeine Anstieg berĂŒcksichtigt, erhöht sich das Plus sogar auf rund 5 000 FĂ€lle beziehungsweise 8,0 %. Nach dieser SchĂ€tzung lĂ€ge die Gesamtzahl im Jahr 2023 bei 67 300 FĂ€llen. Neben Fehlern bei der Datenerfassung und dem Cyberangriff auf einen IT-Dienstleister wurde als Grund fĂŒr die fehlenden Meldungen im Jahr 2023 auch die Ăberlastung des Personals im Jugendamt genannt.
Der langfristige Anstieg der Zahl behördlich festgestellter KindeswohlgefĂ€hrdungen setzte sich damit auch 2023 fort. Mit Ausnahme des Jahres 2017 und des Corona-Jahres 2021 nahmen die Fallzahlen seit EinfĂŒhrung der Statistik im Jahr 2012 stets zu. Am höchsten waren die Anstiege von 2018 bis 2020 mit jeweils 9 % bis 10 % mehr FĂ€llen als im Vorjahr. GrĂŒnde fĂŒr diese Entwicklung können – neben einer tatsĂ€chlichen Zunahme der GefĂ€hrdungsfĂ€lle – auch eine höhere SensibilitĂ€t und Anzeigebereitschaft der Ăffentlichkeit und Behörden beim Thema Kinderschutz sein.
Betroffene Kinder waren im Schnitt etwa 8 Jahre alt
Den rund 63 700 Meldungen zufolge waren die betroffenen Kinder im Jahr 2023 bei Feststellung der KindeswohlgefĂ€hrdung im Schnitt 8,2 Jahre alt. WĂ€hrend bis zum Alter von 12 Jahren Jungen etwas hĂ€ufiger von einer KindeswohlgefĂ€hrdung betroffen waren, galt dies ab dem 13. Lebensjahr fĂŒr MĂ€dchen. Die meisten betroffenen MinderjĂ€hrigen wuchsen bei alleinerziehenden Elternteilen (39 %) oder beiden Eltern gemeinsam (38 %) auf. 13 % lebten bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und 10 % in einem Heim, bei Verwandten oder in einer anderen Konstellation. In knapp jedem dritten Fall (31 %) waren ein oder beide Elternteile auslĂ€ndischer Herkunft (nicht in Deutschland geboren) und die vorrangig gesprochene Familiensprache nicht Deutsch. In 45 % aller FĂ€lle nahmen die Jungen oder MĂ€dchen zum Zeitpunkt der GefĂ€hrdungseinschĂ€tzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch, standen also schon in Kontakt zum Hilfesystem. Dabei war in etwa jedem vierten Fall (27 %) innerhalb des Jahres schon einmal eine Meldung zu dem Kind eingegangen.
In 73 % der FÀlle ging die GefÀhrdung hauptsÀchlich von Mutter oder Vater aus
In den meisten FĂ€llen von KindeswohlgefĂ€hrdung hatten die Behörden Anzeichen von VernachlĂ€ssigung festgestellt (58 %). Bei 36 % gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 27 % der FĂ€lle wurden Indizien fĂŒr körperliche Misshandlungen und in 6 % fĂŒr sexuelle Gewalt gefunden. Den JugendĂ€mtern zufolge hatte ein Teil der Kinder mehrere dieser GefĂ€hrdungsarten – also VernachlĂ€ssigungen, psychische Misshandlungen, körperliche Misshandlungen oder sexuelle Gewalt – gleichzeitig erlebt: 2023 traf das auf knapp jeden vierten Fall von KindeswohlgefĂ€hrdung zu (23 %).
Neue Ergebnisse zeigen nun auch, von wem die GefĂ€hrdung des Kindes – ausschlieĂlich oder hauptsĂ€chlich – ausging: In 73 % aller FĂ€lle war das die eigene Mutter oder der eigene Vater. In weiteren 4 % war es ein Stiefelternteil, die neue Partnerin oder der neue Partner eines Elternteils und in 6 % eine sonstige Person, etwa eine Tante, ein Trainer, der Pflegevater oder die Erzieherin. In ebenfalls 6 % der FĂ€lle konnte zwar angegeben werden, dass die GefĂ€hrdung von mehreren Personen ausging, aber keine Hauptperson benannt werden. Und in 11 % der FĂ€lle waren weder die Zahl der Beteiligten noch die (Haupt-)Person bekannt.
Die meisten Hinweise kamen von Polizei und Justiz, die zuverlÀssigsten von den Kindern
Den vorliegenden Daten zufolge haben die JugendĂ€mter im Jahr 2023 insgesamt rund 211 700 Hinweismeldungen durch eine GefĂ€hrdungseinschĂ€tzung geprĂŒft – auch hier liegt die tatsĂ€chliche Zahl wegen der DatenausfĂ€lle noch höher. Die meisten Hinweise auf eine mögliche KindeswohlgefĂ€hrdung wurden von Polizei und Justiz an die JugendĂ€mter weitergegeben (31 %). Etwas seltener kamen die Hinweise aus der Bevölkerung – also von Verwandten, Bekannten, aus der Nachbarschaft oder anonym (22 %). An dritter Stelle folgten Hinweise aus der Kinder- und Jugend- oder Erziehungshilfe (13 %) und dahinter Hinweise aus den Schulen an die JugendĂ€mter (12 %).
Etwa ein weiteres Zehntel der Hinweise auf die GefĂ€hrdungssituation stammten aus den Familien selbst, also von den betroffenen MinderjĂ€hrigen (2 %) oder ihren Eltern (7 %). In 30 % aller Hinweismeldungen haben die JugendĂ€mter den Verdacht auf KindeswohlgefĂ€hrdung anschlieĂend bestĂ€tigt. Die zuverlĂ€ssigsten Hinweisgeber waren dabei die Betroffenen selbst: Bei den Selbstmeldungen von Kindern und Jugendlichen war die BestĂ€tigungsquote am höchsten und lag mit 60 % doppelt so hoch wie der Durchschnitt.
Destatis am 06. September 2024
Symbolfoto/pixabay