Zweifelhafte Reiselust geht weiter / Polit-Tourismus auf Steuerzahlerkosten

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Sachsen-Anhalt (ST). Die Anzeichen fĂŒr einen „Polit-Tourismus“ durch AusschĂŒsse im Landtag von Sachsen-Anhalt hĂ€ufen sich. ZunĂ€chst hat der Landtag nach der Landtagswahl 2021 die Reiserichtlinie geĂ€ndert. Die vorher enthaltene Begrenzung, dass „Ziele außerhalb Europas [
] grundsĂ€tzlich unberĂŒcksichtigt bleiben sollen“, wurde dabei gestrichen. Die neuen Reisemöglichkeiten wollte der Ausschuss fĂŒr Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur im Jahr 2022 sogleich nutzen: Chile stand auf dem Programm. Nach heftiger Kritik musste dieser Trip mit geplanten Kosten von circa 30.000 Euro allerdings abgesagt werden. Inzwischen wurde eine Alternative gefunden: Im November 2023 soll es nach Jordanien gehen – geschĂ€tzte Kosten derzeit: rund 29.000 Euro.

Als BegrĂŒndung fĂŒr diese Reise wird u. a. die Behandlung von europa-, sicherheits-, migrations-, verteidigungs- und kulturpolitischen Themen angefĂŒhrt. Im Februar 2023 diskutierte der Landtagsausschuss auch ĂŒber den Besuch der WelterbestĂ€tte Petra. Ein Abgeordneter merkte an: „[
] bei einem offiziellen Besuch in Jordanien gehöre ein Besuch Petras im Grunde zum Pflichtprogramm.“

Insgesamt erweckt der im Mai 2023 geplante Jordanien-Trip schon jetzt den Anschein von Polit-Tourismus, denn die derzeit bekannten Rahmendaten der Reise nach Vorderasien lassen die BegrĂŒndung als Ă€ußerst fragwĂŒrdig erscheinen. Warum derselbe Ausschuss nach der zunĂ€chst öffentlich kritisierten und dann abgesagten Chile-Reise nun schon wieder ein Ziel außerhalb Europas ausgesucht hat, ist ebenfalls wenig nachvollziehbar. Der Steuerzahlerbund begrĂŒĂŸt in diesem Zusammenhang sehr, dass sich wenigstens die Landtagsfraktion BĂŒndnis 90/Die GrĂŒnen bereits im Dezember 2022 gegen diese Reise ausgesprochen hat.

Offensichtlich ist es auch fĂŒr einen anderen Ausschuss nicht so einfach, geeignete Ziele in Europa zu finden. So scheint auch der Ausschuss fĂŒr Wirtschaft und Tourismus Fernweh zu haben: FĂŒr ihn soll es im April 2024 nach Tokio gehen. HierfĂŒr sind nach derzeitiger Kalkulation Kosten in Höhe von circa 43.000 Euro angegeben, allerdings noch ohne Arbeitsessen und Gastgeschenke. BegrĂŒndet wird diese Reise z. B. mit der Vertiefung wirtschaftlicher Beziehungen, der StĂ€dtepartnerschaft zwischen der Stadt Zeitz und der japanischen Stadt Tosu sowie Investitionen im Zusammenhang mit der von Japan bis 2050 angestrebten KlimaneutralitĂ€t.

Derweil hielten Abgeordnete der Linken und der GrĂŒnen diese Argumentation fĂŒr nicht ĂŒberzeugend. Einer wies darauf hin, dass „Japan nicht zu den Staaten gehöre, mit denen Sachsen-Anhalt in grĂ¶ĂŸerem Umfang wirtschaftliche Beziehungen pflege“. Ein anderer Abgeordneter hielt es „fĂŒr sinnvoller, europĂ€ische Staaten [
] in den Fokus zu nehmen, um Handelsbeziehungen aufzubauen oder zu stĂ€rken“.

FĂŒr den Steuerzahlerbund sind nicht nur die BegrĂŒndungen fĂŒr die Reisen zweifelhaft. Äußerst kritikwĂŒrdig ist zudem der offensichtliche Trend, mehr Reiseziele außerhalb von Europa auszuwĂ€hlen. Die Landtags­ausschĂŒsse sollten ihre außenpolitischen Ambitionen in dieser Hinsicht jedoch begrenzen, denn diese erwecken den Anschein eines teuren Polit-Tourismus auf Kosten der Steuerzahler. Auch die kalkulierten Kosten dĂŒrften eher zu niedrig angesetzt sein. Denn: Bereits im Haushaltsplan 2023 wurde der Ansatz fĂŒr Abgeordneten-Dienstreisen auf 380.000 Euro erhöht – rund 100.000 Euro mehr als 2021!

Text/Foto: Bund der Steuerzahler Sachsen-Anhalt e.V.